Dionysianer

Die Dionysianerinnen sind eine Gruppe junger Frauen und Männer - geschätzt ein bis zwei Millionen Mitglieder in Frankreich - , die durch drei Lebensregeln in neun Stufen zur vollen Erkenntnis der aufgeklärten Erleuchtung gelangen und danach die Weltherrschaft im Sinne der Französichen Aufklärung errichten wollen.

Voraussetzungen der Mitgliedschaft

  1. Ein Elternteil wurde in Paris geboren, der zweite Elternteil wurde in Frankreich - Europa oder Übersee - geboren
  2. Eine mittlere Schule wurde abgeschlossen
  3. Die altgriechische Sprache wurde so gut gelernt, dass ein fließendes Lesen der Texte des Dionysios Areopagita möglich ist
  4. Eine schriftliche Beitrittserklärung wurde freiwillig in Anwesenheit von neun bestehenden Mitgliedern unterzeichnet
  5. Ein Neuntel des Privatvermögens zum Zeitpunkt des Beitritts wird an die Organisation überwiesen
  6. Man trinkt ausschließlich französiche Weine
  7. Man kauft der Organisation ein Haus oder eine Wohnung auf Naxos ab
  8. Man beherrscht die neun Standardtänze (Bourrée, Menuett, Gavotte, Farandole, Pavane, Can-Can, Valse Musette, Apache und Beguine) der Organisation ausreichend gut, was durch ein Vortanzen abgeprüft wird.
  9. Man besitzt Kleidungsstücke in Blau, Weiß und Rot oder beliebigen Kombinationen davon

Die drei Lebensregeln

  • Einmal im Leben muss man nach Athen fahren, um auf den Ruinen des Areopag mit acht anderen Mitgliedern ein ganzes Buch des Dionysios Areopagita zu lesen und anschließend in der katholischen St. Dionysios-Kirche in Athen eine Messe mitfeiern
  • Drei Mal im Jahr muss man an einer öffentlichen Tanzveranstaltung teilnehmen, bei der in 99 Takten eine öffentliche Nonille getanzt wird: Am 14. Juli auf dem Place de la Republique, am 9. Oktober vor der Abteikirche Saint Denis und am 4. Dezember vor der Kirche St. Genevieve du Pantheon
  • Neun Mal in der Woche muss man eine Stunde aus einem Buch der neun kanonischen Autoren lesen (Pierre Abélard, Pierre-Simon Marquis de Laplace, Alexis de Tocqueville, René Descartes, Denis Diderot, Charles Baudelaire, Jean-Baptiste Marquis de Lamarck, Louis-Victor-Pierre-Raymond Duc de Broglie und Paul-Henri Thiry d'Holbach)

Culture

Kultur und kulturelles Erbe

Viele Dionysianer haben sich auf den Gebieten der Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft mehr hervorgetan als in künstlerischen Belangen, die zumeist auf die Tänze beschränkt bleiben.
Es gehört aber zur - undokumentierten - Kultur der Dionysianer, besonders bei Sommerurlauben in Naxos, die ehelichen Vorschriften nicht ganz so ernst zu nehmen. Daraus erwuchs eine Kultur der gemeinschaftlichen Zeugung bzw. Sorge um die Kinder jedes Mitglieds, die sich auch in Erbrechtsklauseln ausdrücken kann, wenn Vermutungen auf mögliche Vaterschaften bestehen.
Manche Mitglieder halten es für angemessen, bei französischen Porcellainiers Service in Auftrag zu geben, deren Dekoration die neun kanonischen Autoren, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse oder künstlerischen Errungenschaften verherrlichen. Am bekanntesten ist das 'Fleurs du mal'-Service des früheren Rektors der Sorbonne, Gustave Roussy, das hundert in Sevres gefertigte Einzelstücke mit Versen von Baudelairs Gedichten und mystischen Blumenmotiven enthält.
by Racussa mit DALLE

Gemeinsame Verhaltensweisen und Werte

Die Dionysianer schöpfen ihre strikten moralischen Regeln aus drei verschiedenen Quellen:
  1. Der antiken Überlieferung zu dionysischen Mysterien, die vor allem das Alkohol- und Sexleben der Dionysianerinnen bestimmen so wie deren Liebe zum Tanz
  2. Die Schriften des christlichen Theologen Dionysios Areopagita, der mit dem in der Apostelgeschichte erwähnten Propheten und dem ersten Bischof von Paris gleichgesetzt wird, woraus die Wertschätzung von Neunheiten, hierarchischen Strukturen und dem geistlichen Aufstieg durch Erleuchtung in Stufen abgeleitet wird
  3. Die Texte der französischen Aufklärung in Wissenschaft und Kunst, mit deren Hilfe die Dionysianer ganz Frankreich reformieren und danach die Welt vernünftig beherrschen wollen

Übliche Etikette

Es ist üblich, dass Dionysianer sich mit einem internen Gruß begrüßen, dazu formen sie mit neun Fingern ein Dreieck, während der kleine Finger der linken Hand nach oben zeigt und wedelt. Dazu sagt der Grüßende
Licht Frankreichs leuchte!
, worauf der Gegrüßte antwortet:
In meinem Herzen, in ganz Frankreich und der ganzen Welt!

Zur Verabschiedung gibt es auch eine Grußformel:
Auf Wiedersehen, Miterleuchtete/Miterleuchteter, in meinem Herzen, in Frankreich oder in einer der neun Sphären
worauf geantwortet wird:
Wo wie auf Naxos und dem Areopag ewig leuchtet Frankreichs Licht!

Übliche Bekleidung

Zumindest zu den öffentlichen Tänzen und der Fahrt zum Areopag müssen Blau-Weiß-Rote-Kleidungsstücke getragen werden. Diese Farbkombination ist auch in der sonstigen Zeit in Freizeit und Beruf sehr empfohlen und wird von vielen selbstverständlich verwendet.

Foods & Cuisine

Während Speisen und Getränke grundsätzlich dem Belieben der Dionysier überlassen bleiben, darf doch nur französischer Wein getrunken werden.

Übliche Gebräuche, Traditionen und Rituale

Der stete Versuch der Selbstoptimierung durch Lesen, Tanzen und den Besuch auf dem Areopag soll zu einer über neun Bewusstseinsstufen gehenden Erleuchtung führen, die schließlich dazu befähigt, die höchsten Ämter in Nation und Welt so zu übernehmen, dass der personifizierte Anspruch der französischen Aufklärung zu einer allgemeinen Welterleuchtungsvollmacht überführt.
Es ist daher bei Dionysianern Brauch, regelmäßig Tanzveranstaltungen und Lesekreise zu veranstalten, zu denen auch Nicht-Mitglieder eingeladen werden, denen am Ende der Veranstaltung ein kleines Büchlein einer der neun kanonischen Autoren als Geschenk mitgegeben wird. Beim nächsten Treffen wird das Gespräch mit einer Diskussion zu Autor, Buch oder einem Inhalt des Buches eröffnet.
Dionysianer, die schon in höheren politischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Funktionen sind, müssen in jede offizielle Ansprache ein Zizat eines der neun kanonischen Autoren oder des Dionysios Arepagita einfügen.
Ein weiterer wichtiger Brauch ist die ausschließliche Verwendung der französischen Sprache bei internationalen Veranstaltungen oder eigenen Publikationen. Sie ist so selbstverständlicher Brauch wie die ausschließliche Verwendung französischer Komponistinnen und Komponisten für die öffentlichen und privaten Tänze.

Pressestimmen über die Dionysianer

Royalistische Perspektive (La Couronne)

Die Dionysianer: Eine Bedrohung für unsere monarchischen Werte
Die Dionysianer feiern den 14. Juli, einen Tag, der für den Umsturz der legitimen Monarchie steht. Diese Gruppe, obwohl sie sich auf die Aufklärung beruft, untergräbt die traditionellen Werte, die unser Land groß gemacht haben. Ihre sexuellen Rituale und ihre unchristliche Symbolik können nicht über ihre antimonarchischen Wurzeln hinwegtäuschen.

Republikanische Perspektive (Le Républicain)

Die Dionysianer: Moderne Tänzerinnen des französischen Erbes
Die Dionysianerinnen verbinden die Errungenschaften der Aufklärung mit einer tiefen Liebe zu Frankreich, der anmutigsten Tochter des demokratischen Griechenlandes der Antike. Ihre Rituale und Verpflichtungen mögen streng sein, aber sie verkörpern den Geist des französischen Nationalismus und den Wunsch, unser Land zu einem Leuchtfeuer der Vernunft und Kultur für die ganze Welt zu machen.

Emanzipierte Perspektive (Libération)

Dionysianer: Eine Bewegung für aufgeklärte Emanzipation?
Die Dionysianer, mit ihrer Betonung auf Bildung und kulturellem Erbe, könnten als ein Modell für die Emanzipation in der modernen Gesellschaft dienen, vor allem, weil Frauen genauso Mitglieder sind wie Männer. Ihre strengen Aufnahmekriterien und die damit verbundene Disziplin sind zwar umstritten, aber ihr Engagement für intellektuelle und kulturelle Entwicklung ist bemerkenswert, sowie die Kinderschutzrechte bei unklaren Vaterschaften."

Internationale Pressestimmen

Japanisch (Asahi Shimbun)

Die Dionysianer: Ein eurozentristischer Abgesang einer elitären Kolonialherrschaft"
Die Dionysianer in Frankreich stellen eine überhebliche Mischung aus kultureller Erhabenheit und strenger Disziplin dar. Ihre Rituale und Verpflichtungen erinnern an die alten Samurai-Traditionen, doch bleibt abzuwarten, wie ihre Ideale in der durch Japan modernisierten Welt Bestand haben werden. Wenn ihr Weltherrschaftsanspruch Indochina umfasst, werden unsere glorreichen Befreiungsstreitkräfte sie zermalmen. Vergesst nie: Eure Revolution ist zweihundert Jahre alt, unser Japan zwanzigtausend!

Osmanisch (Hürriyet)

Die Dionysianer: Eine neue antimuslimische Elite?
Während die Dionysianer eine beeindruckende Hingabe an Bildung und kulturelle Erleuchtung zeigen, bleibt ihre Exklusivität problematisch. In einer Welt, die sich mehr und mehr auf den Wert des Koran und der Hadithe zurückbesinnt, wirkt ihr elitärer Ansatz anachronistisch und potenziell kriegstreibend. Warum heidnische Götter der Griechen, atheistische Forscher des 19. Jahrhunderts oder verschrobene Mystiker aus dem rückständigen Griechenland lesen statt der Werke etwa der berühmten Poetin Mihri Hatun?

Britisch (The Guardian)

Dionysianer: Französischer Elitismus und Richelieus tanzende Erben?
Die Dionysianer verbinden die Werte der angeblichen französischen Aufklärung mit einer strikten Mitgliedschaftspolitik. Während ihr Engagement für Kultur und Bildung fast britisch ist, stellt sich die Frage, ob eine solche Exklusivität in der heutigen Gesellschaft Platz hat, wo Frankreich seit Jahrhunderten auf Platz zwei hinter unserem Vereinigten Königreich verstaubt. Ob sie neben Diderot und Laplace auch Richelieu lesen, wenn sie von der utopischen französischen Weltherrschaft träumen?

Sowjetisch (Pravda)

Dionysianer: Bourgeoisie im neuen Gewand
Die Dionysianer repräsentieren die alteingesessene Bourgeoisie in Frankreich, verkleidet in den Idealen der arbeiterfeindlichen Bürgeraufklärung. Ihre elitären Strukturen und Rituale zeigen die fortwährende Ungleichheit und die Bemühungen der herrschenden Klassen, ihre Macht und ihren Privatbesitz zu festigen. Habt ihr überlesen, dass die Sklaven ihre griechischen Besitzer besiegten und ihre Ketten sprengten, um selbständig Hammer und Sichel zu schwingen.

Griechisch (Kathimerini)

Die Dionysianer: Skepsis gegenüber einer philhellenischen Franzpersonenschwemme
Die Dionysianer, mit ihren Reisen nach Athen und Naxos sowie den orgiastischen Ritualen, erinnern an die alten Mysterienkulte. Doch bleibt die Frage, ob ihre Praktiken und Ideale in unserer modernen, radiohörenden Welt noch relevant sind. Ihre Fixierung auf Lesen und Tanzen ist unproduktiv und vor allem UNGRIECHISCH. Wenn wir könnten und nicht Touristengeld und naxische Imobiliensteuer bräuchten, würden wir sie letztlich isolieren.


Cover image: by Racussa mit DALLE

Kommentare

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Aug 22, 2024 20:48 by Secere Laetes

Ganze drei Perspektiven aus Frankreich selbst, das ist echt gut. Ansonsten eine wirkliche Subkultur. Ich habe mal den Gruß versucht nachzumachen, sieht irgendwie.... interessant aus. Nur finde ich ja die Aufnahmekriterien recht streng... fließend Altgriechisch? Vom Monetären rede ich mal gar nicht erst. Andererseits stellt man so natürlich die Eliten und zu der Zeit war Altgriechisch ja auch deutlich verbreiteter als heutzutage. Übrigens auch wieder sehr gelungene internationale Pressestimmen. Insbesondere die armen Griechen.

Aug 23, 2024 16:02 by Racussa

Vielen Dank. Das ist auch eher so ein Verlegenheitsartikel, weil ich eine 'Change'-Subkultur höchst problematisch fand. Daher habe ich kunterbunt französische Autoren gesucht, ein paar Jahreszahlen, markante Feiertage und Orte... Ja, Tanz, Wein, Orgien und Lesekreise sind eine absurde Mischung. Ist ein bisschen wie Eyes wide shut mit Nicole Kidmann. Altgriechisch und genug Geld, um ein Haus oder eine Wohnung in Griechenland zu kaufen, zwei eher selten gemeinsam auftretende Eigenschaften (plus dieTanzschritte...).

The world is not enough.