Die letzte Schnitzfigur

Expedition

1164dgw
7/4 18:00
1164dgw
7/4 19:00

Kampf gegen Manticore, Schattenwelt, Schlangentaverne, Hein, Blutfluss, Kampf in Kirche, Tag (18)


Der Geruch von frischem Holz liegt schwer in der Luft in dieser schwach beleuchteten Hütte. Ein kleiner Arbeitstisch mit zwei Laternen reicht dem kleinen Halbling aus für seine Schnitzarbeit. Hinter ihm ist eine große Werkzeugwand mit allerlei groben und feinen Schnitzmessern. Er arbeitet gerade vertieft an einer Kreatur. Viele große Augen und Beine. Es ist eine kleine Holzskulptur und stellt so etwas wie eine Spinnenkreatur dar. Die Augen wirken jedoch menschlich und die Beine sehen eher dem eines Zuchttiers ähnlich. Knarzen und darauffolgende Glockengeräusche reißen ihn aus seiner vertiefen Arbeit heraus. „Guten Abend, ist hier jemand?“ Ruft eine schwache kratzige Stimme vom Eingangsbereich. „Eh ja hier! Ich bin hier, Moment ich komme sofort.“ Er wischt hastig über den Tisch, die Holzspäne fallen zu Boden. Vorsichtig legt er seine Werkzeuge auf den Tisch, klopft auf seine Schürze und schreitet Richtung Eingang. „Ich suche Herrn Hobelfuß, sind sie das?“ „Jaja genau das bin ich, eigentlich habe ich geschlossen aber“ schnell manövrierte er durch die verschiedenen Labyrinthartigen Regale voll mit Schnitzarbeiten und erkennt in dem schwachen Licht einen alten Mann mit einer kleinen verpackten Kiste in der Hand. Hinter ihm, draußen, steht irgendetwas sehr großes, felliges, blaues. „Ja hallo, wie, wie kann ich ihnen helfen?“ „Mein Name ist Koko, mein Bruder hat mir etwas mitgegeben. Für Sie. Er sagte sie würden sich bestimmt darüber freuen. Sie kennen doch meinen Bruder Milo oder?“ „Sie meinen, Milo, der Spielzeugmacher aus Ta’Es? Er hat mir etwas geschickt? Für mich? Wirklich? Sind sie sich sicher?“ „Eh ja, Bernard Hobelfuß, richtig?“ Sein Herz fängt an zu rasen. Der große weltbekannte Milo, der beste Spielzeugmacher den Ta’es je gesehen hat. Ja ganz Runus. So viele Briefe hat er ihm geschickt. Er hat nie eine Antwort bekommen. Dabei wollte er so gerne seine Aufmerksamkeit, seinen Rat. Am liebsten wäre er sein Schüler geworden auch wenn er bisher nie jemanden unter seine Fittiche genommen hat. Vielleicht hätte er bei ihm eine Ausnahme gemacht, wenn er nur hartnäckig genug ist. „Ja, eh ja, das bin ich“ sagt er stotternd. „Ah sehr gut, ich hab schon gedacht ich bin hier falsch.“ Er tritt nun ein paar Schritte näher. „Ja also hier ist das Paket. Seien sie vorsichtig damit, nicht schütteln, keine ruckartigen Bewegungen. Es ist zerbrechlich.“ Langsam reicht er das Paket an Bernard. Mit zitternden Händen nimmt er es an, kann seinen Blick nicht davon abwenden. „Nunja ich geh dann mal wieder. War schön sie kennen zu lernen. Aber reise weiter. Man sollte nie zu lange an einem Ort verweilen, hehe.“ „Eh ja stimmt… auf wiedersehen“ der kleine Halbling nimmt ihn gar nicht mehr wahr. Er ist so fixiert auf dieses Paket und trägt es vorsichtig und langsam zu seinem Arbeitstisch. Ein Geschenk von Milo. Er hat mich endlich bemerkt. Vielleicht ist eine Einladung. Vielleicht will er mich doch als Schüler. Aber dann hätte er mir einfach einen Brief schreiben können. Oder ist es vielleicht eine sprechende Schnitzfigur. Seine Figuren sind bekannt für ihre Magie. Manche sagen er würde ihnen Leben einhauchen können. Am Arbeitstisch angelangt nimmt er sich ein kleines scharfes Messer und schneidet vorsichtig die Verpackung auf. Es zeigt sich eine kleine Holzkiste mit dem Symbol von Milo. Ein Affe mit drei Köpfen. „Hm, komisch.“ An der Umrandung des Symbols sind schmale Schlitze zu erkennen. „Das sieht aus wie ein Knopf.“ Sachte drückt er mit seinen kleinen Fingerchen auf das Symbol. Es lässt sich hereindrücken. Plötzlich hört er Applaus der durch seine Hütte hallt und die Kiste klappt an jeder Seite auf. Eine Art Kugel offenbart sich. In dieser Kugel sieht er eine kleine Hütte. „Hm aber da ist doch noch etwas“ er schaut genauer hin, holt sich ein kleines Monokel, „Ja, das sind doch, das sind doch Manticore. Das gibts ja nicht. Wie hat er die da reinbekommen. Und so winzig und doch so detailliert. Unglaublich. Er ist wirklich der größte!“ Ein stechender Schmerz zieht sich durch seinen rechten Fuß „AU“, er zieht instinktiv sein Bein hoch, knallt mit dem Knie gegen den Tisch „AUU“ mit einem Bein hüpft er rückwärts, doch er sieht wie die Kugel durch den Stoß von der Kante kippt und im Begriff ist herunter zu fallen. „NEIN!“ Er ignoriert den Schmerz und macht einen Hechtsprung nach vorne und landet bäuchlings auf den Boden mit ausgestrecktem Arm. Die Kugel fällt in seine Hand. Unversehrt. „Hm?“ Überrascht schaut er sie sich an. „Ist das Schnee?“ Viele kleine weiße Partikel schwirren im Inneren der Kugel und vernebeln die Sicht auf die Hütte und die Manticores. Plötzlich fängt es an zu beben. Die Wände knarzen und die Dielen brechen. Die Regale kippen eines nach dem andern und fallen wie Dominos in seine Richtung. Er zieht sich zusammen und drückt die Kugel schützend an seinen Bauch. Und dann ist auf einmal wieder alles ruhig. Ihm ist nichts passiert. Er schaut auf. Schaut sich um. Alle Regale sind weg. Sein Arbeitstisch, seine Werkzeuge. Der Raum ist leer. Helles Tageslicht scheint durch die Fenster. „Ist das ein Traum? Es war doch gerade noch Nacht?“ Er schaut auf sich herab, keine Verletzungen. Ihm geht es gut. „Die Kugel! Wo ist sie?“ Eben hatte er sie doch noch in der Hand. Er schaut links und rechts, den Boden ab, sie ist nicht da. „Oh Gott, wie kann das sein. Sie war eben doch noch hier. Was ist hier überhaupt passiert. Wo sind meine Sachen?“ Er läuft den Raum ab. Keine Spur. Nur ein paar Stücke frisches Holz. Doch als er aus dem Fenster blickt sieht eine weite bunte Wiese. In der Ferne Wälder. Einen kleinen Fluss. Und was ist das? Große raubtierartige Wesen mit Menschengesichtern und einem langen Skorpionartigen Schwanz. Sie besitzen Flügel die an die von Fledermäusen erinnern. „Bin ich, bin ich.“ Er will es gar nicht aussprechen. Ist er etwa in der Kugel gelandet? Aber das kann nicht sein. Wie soll das gehen. Er beginnt auf und ab zu laufen. Alles nochmal in seinem Kopf ablaufen zu lassen. Ein Geschenk von Milo. Sein Bruder hat es gebracht. Solange hat er nicht auf seine Briefe geantwortet und dann plötzlich dieses Paket. Er hat gesagt es ist zerbrechlich. Aber es ist nicht kaputt gegangen. Ich hab es noch aufgefangen. „AU“ Wieder stößt er sich den Zeh. Ein klackern ist zu hören. Er hat einen Block frisches Holz aus Versehen getreten und es ist ein paar Meter durch den Raum geflogen. „Ach, natürlich, es ist ein Test! Ich soll etwas schnitzen. Etwas großartiges. Kein Wunder, dass er nie einen Schüler hatte. Sie waren bisher einfach nicht gut genug! Was für ein Genie. Das ist sowas wie meine Eignungsprüfung. Ich weiß es. Er hat mich auserwählt. Ich muss mich nur beweisen.“ Er schnappt sich ein Stück Holz, begutachtet es. Es ist weiches Holz. Perfekt zum schnitzen. Aber was soll er schnitzen? Hier ist nichts. Keine Bücher, keine Illustrationen. Rein gar nichts. „Außer…“ Er rennt zu einem Fenster und schaut sich die Kreaturen an. „Natürlich. Ich soll die Manticores schnitzen.“ Er macht es sich bequem. Nimmt sich seine Werkzeuge von seinem Gürtel und fängt an. Er schnitzt und schnitzt. Nach und nach sieht der Holzklotz den Kreaturen immer ähnlicher. Stunden vergehen. Nun glaubt er zumindest. Die Sonne scheint sich hier nicht zu bewegen. Umso besser. Dann muss er sich keine Sorgen um Licht machen. Ein letzter Schliff und fertig. Er hält es hoch und begutachtet es. Vergleicht es mit den Kreaturen draußen. „Hm das sieht doch ganz gut aus.“ Er schaut sich um. „Ich bin fertig! Hallo?“ Keine Antwort. Nichts passiert. „Natürlich, das entspricht nur meinem Standard. Aber ich muss besser werden. Viel besser. Ich muss genauer hinschauen. Die Proportionen, die Details. Es muss einfach besser werden.“ Er nimmt sich den nächsten Holzklotz. Er hört nicht auf zu schnitzen. Er weiß nicht wieviel Zeit vergeht, doch irgendwann kriegt er Hunger. Aber nichts ist da. „Ich sollte mich nicht solchen niederen Bedürfnissen hingeben. Ein wahrer Meister arbeitet weiter.“ Doch irgendwann ist das Knurren seines Magens so laut, dass er es nicht mehr ignorieren kann. Er muss was essen. Egal was. Egal was? Er sieht die zahlreichen Holzspäne auf dem Boden. Er schluckt. Ein wahrer Künstler muss leiden können. Das ist bestimmt eine der Lektionen. Er greift sich einen Haufen und legt es sich in den Mund. Zuerst muss er anfangen zu würgen, aber er drückt sich die Nase zu und schluckt einfach runter. Ihm wird ein bisschen schlecht, aber mit der Zeit merkt er, dass das Knurren aufgehört hat. Und so schnitzt er weiter und weiter. Manchmal nickt er ein doch er zwingt sich immer wieder dazu wach zu bleiben. Er muss weiter machen. Gefühlt vergehen Tage ohne das was passiert. Zahlreiche Figuren hat er geschnitzt. Doch keines scheint den Vorstellungen von seinem baldigen Meister zu entsprechen. Er hält die letzte Figur hoch, das letzte Stück Holz, dass er verarbeitet hat. Er schaut auf die Figur, sie ist besser geworden. Die Details, die Form, die Proportionen. Doch nichts passiert. „Das, das kann doch nicht sein. Was, Was wollt ihr mehr. Was mache ich falsch? Ist es nicht das was ihr wollt?“ Plötzlich fängt der Boden wieder an zu beben. Die Wände knarzen die Dielen brechen. „JA!JA!“ Aus dem nichts erscheinen vor ihm eine Gruppe von Kreaturen. Er erkennt einen Tiefling, eine Rüstung, eine Schlange, eine Elfin, einen Drachengeborenen. Sie wirken genauso überrascht wie er. „Ehm hallo“ Sie sind desorientiert. Wollen wissen wo sie sind. Wollen die auch Schüler von Milo werden? Der eine will plötzlich auch anfangen zu schnitzen. Konkurrenz. Natürlich. Wettbewerb motiviert. Er will mir helfen. Die haben doch keine Chance gegen mich. Obwohl dieser Goblin mit Hörnern gar nicht so schlecht ist. Hmm. Ich muss mich weiter anstrengen. Aber was machen die? Die gehen raus? Oje die kämpfen ja. Oh, aber die Manticores sehen ja ganz anders aus, wenn die wütend sind. Das ist es. Bewegung, Dynamik. Das hat mir gefehlt. Eifrig schnitzt er weiter, korrigiert seine bisherigen Figuren. Gleich hab ich es! Denkt er sich. Er bemerkt gar nicht, wie der Boden und die Wände um ihn herum auf einmal an Farbe verlieren. Zuerst ein helles grau, das schnell dunkler wird bis es nur noch eine schwarze Masse ist. Doch er schnitzt weiter und weiter. Selbst als alles schwarz um ihn herum wird und er noch nicht mal seine Figur sieht, selbst als er plötzlich an fängt in eine dunkle Tiefe zu fallen, er schnitzt weiter. „Bald, bald hab ich es. Dann werde ich endlich die schönsten und tollsten Figuren schnitzen. Ich kann mir schon die Gesichter vorstellen von den vielen Kindern mit ihrem breiten Grinsen und den glänzenden Äuglein, wenn sei mit meinen Spielzeugen spielen. Mehr will ich doch gar nicht. Einfach nur Freude bereiten. Er schlägt mit großer Wucht auf hartem Boden, sein Kopf landet auf einem spitzen kleinen Felsen. Reglos liegt er in einer düsteren farblosen Umgebung. Er ist sofort tot. Sein letzter Gedanke, das letzte Bild dass er gesehen hat, war er selbst umgeben von Kindern, die mit seinen Spielzeugen spielen. Ein Lächeln auf seinem Gesicht versiegt langsam. Es ist vorbei.

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