Athna, der 37te Tag im Segment des Gesichtslosen im Zyklus 61CZ
Die folgenden Zeilen sind mit zittriger Hand in ein recht altmodisches Buch mit Ledereinband geschrieben.
Ich schreibe nicht häufig Logs, aber was im vergangenen Tag passiert ist hat mich zutiefst erschüttert. Eigentlich dachte ich, dass die Hochzeit, auf die wir gegangen sind, eine Möglichkeit wäre, etwas abzuschalten. Ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass der Bräutigam selbst ermordet werden würde.
Kurz darauf standen wir alle schon außerhalb des Gebäudes, noch immer aufgewühlt, doch eine Person fehlte:
Captain Layla war immer noch drinnen. Und wir durften nicht rein, weil wir anscheinend zu sehr nach Soldaten aussahen (da ist man einmal in der Lage sich zu verteidigen und schon ist man „Soldat“?). Immerhin
Moth war es erlaubt reinzugehen um nach ihr zu suchen. Ich erkundete währenddessen das Außengebiet. Gute Wachen hatte der Tote ja, denn ich habe rein gar nichts erfahren und habe es nicht reingeschafft.
Dementsprechend war alles ziemlich ereignislos, bis ich zurück war von meinem Ausflug und Kevin endlich ein Signal von Layla erhielt. Wir machten uns auf, zusammen mit der
Judikatorin, um zum Captain und Moth zu kommen. (Mir war es im Übrigen nicht entgangen, wie Layla die Judikatorin angeschaut hatte, als sie uns auf der Party das erste Mal auffiel. Aber es ist nicht so, dass ich ihr das verübeln kann, so gut und erhaben, wie sie aussah.)
Als wir uns alle wiedersahen trafen wir auch auf
eine Frau, die durch Layla gerettet wurde. Sie zeigte uns den Weg in die
Sümpfe, die, laut ihrer Aussage, kein Ort wären, an dem wir uns aufhalten sollten. Und wie so häufig haben wir die Warnungen ignoriert. Vielleicht hätten wir dieses Mal auf sie hören sollen, denn dieses Mal wurde es jemandem von uns zum Verhängnis.
Zunächst hatte ich nicht zu große Sorgen. Es ist nicht so, dass mir Dunkelheit fremd ist. Es ist nicht so, dass ich mich nicht verteidigen kann. Unsere Reise führte uns tief in den Sumpf. Je tiefer wir kamen, desto mehr Dunkelheit und Unwohlsein kam über uns. Wir sahen merkwürdige Wesen in den Schatten, sahen Augen aufblitzen. Bis jetzt waren wir noch recht sicher in unserem Schiff, aber das würde sich ändern. Der Sumpf war riesig und ich fragte mich, wie viele Menschen hier wohl gestorben waren, als die damalige Stadt in Ruinen verwandelt wurde.
Wir kamen an unserem Zielort an. Aber…
Wirklich. Ich habe ja die meiste Zeit nichts gegen
Kevin. Ich habe kein Problem mit Technik oder damit mit KIs zu interagieren. Ich mag Kevin ja auch. Aber manchmal könnte ich dieser fliegenden Kugel wirklich die Meinung sagen (
Hausarrest!).
Ich weiß bis jetzt nicht wieso er es tat, aber er warf einen Stein in die Dunkelheit, genau dort, wo merkwürdiger Schleim alles überzog. Und keine Sekunde später waren wir überrannt. Merkwürdige
Geister griffen uns von allen Seiten aus an. Es fühlte sich an, als ob ich mich nur einmal umdrehen konnte um zu schießen, da waren Moth und
Jibril schon am Boden. Und ebenso schnell wie sie am Boden waren, waren die Geister über ihnen. Ich habe es immer noch nicht verdaut. Ich konnte sehen, wie sie zerfetzt wurden. Mir dreht es noch den Magen halb um wenn ich daran denke.
Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben, alle Geister zu besiegen. Vermutlich nur mit Hilfe der Judikatorin.
Als ich immer noch auf die beiden Körper meiner Kollegen schaute begann Layla zu singen. Ich kannte das Lied nicht, aber es klang… wichtig. Ich stimmte mit ein. Und wie durch ein Wunder (
nicht nur „wie“; es war ein Wunder!) wurde Moth wieder lebendig. Ich habe noch nie Wunden zusammenwachsen sehen wie dort! Wie konnte das passieren? Ich habe keinerlei Ahnung von Mystik. Und wenn ich mir das alles so ansehe weiß ich auch nicht, ob ich davon mehr wissen will.
Für Jibril kam jede Hilfe zu spät. Aber Moth wurde gerettet (
oder rettete er sich selbst?). Wir konnten nicht lange verweilen. Wir waren dort um den Abgesandten zu retten. Doch auch für ihn kam unsere Hilfe zu spät. Ich habe immer noch nicht richtig verstanden, was ich in diesem Moment sah; denn jedes Mal, wenn ich zurückdenke an diesem Moment muss ich an das
Wesen denken, was erschien und uns jagte während wir nur noch wegrennen konnten.
Ich schoss so häufig auf dieses riesige Monster. Das erste Mal, als es verschwand, war ich erleichtert. Wir würden hier herauskommen! Doch dann tauchte es direkt vor uns auf und wir mussten umkehren. Ich weiß nicht wie oft das passierte. Ständiges Verschwinden und Auftauchen. Zwischendrin wusste ich nicht, ob das nicht unser Schicksal werden würde: für ewig vor diesem Monster wegrennen, schießen ohne irgendetwas bewirken zu können, nur um letztendlich durch Erschöpfung zu sterben. Oder vielleicht nicht einmal Erschöpfung sondern pure Furcht oder Schmerz. Denn diesen Schmerz, welches das Wesen mir zufügte? Er war nicht körperlich, aber tief in meinem Wesen. Ich habe nur noch verschwommene Erinnerungen, aber ich weiß, dass ich mindestens einmal zu Boden sackte vor Angst. Nur mein Team hat mir geholfen wieder aufzustehen.
Aber irgendwas schien geklappt zu haben, denn letztendlich sank das Wesen zusammen und verwandelte sich. Ich habe nicht genau hingesehen, was es war. Ich glaube, es war eine Art Blatt. Aber zu dem Zeitpunkt war alles, an das ich dachte, die große Schattenmasse und ich versuchte das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bringen. Es hat nicht geholfen, dass zu diesem Zeitpunkt schon lange Bomben auf uns fielen (
naja, nicht auf uns direkt, aber es ist klar, dass wir als Kollateralschaden in Kauf genommen werden).
Ich zittere immer noch.
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