Eintrag 14: Verrat aus engstem Kreis.
General Summary
Athna 21ter Tag im Monat des Spielers im Jahr 61CZ
Aus dem persönlichen Audiolog von Layla Al-Biruni Verrat. Neuanfang? Da schwebte er nun vor uns. Der „neue“ Kevin. Einheit #66. Gehüllt in den Pelz mit Öhrchen, den Einheit #65 erworben hatte, um nach eigener Aussage schneller das Vertrauen von Menschen zu gewinnen. Werde ich aber jemals wieder Vertrauen in eines dieser Modelle fassen können, nach den jüngsten Ereignissen auf Kua? Ist er wirklich wieder ein unbeschriebenes Blatt, wie ein Menschenkind, das die Welt entdeckt und dabei emotional überreagiert, wie Jibril meint? Oder schlummert weiterhin diese abgründige Seite in ihm, die Rebellion der Maschine, ein dunkles Erbe des Phylakterions? War es nur das schiefgelaufene Software-Update aus unbekannter Quelle, das die Ursache seines Verrats, seiner Selbstermächtigung und Meuterei war, die beinahe den Tod der gesamten Crew bedeutet hätte - wenn Einheit #65 zu allerletzt nicht doch eingelenkt hätte, aus welchem Grund auch immer? Wie kann ich Kevin jemals wieder Zugriff auf missionskritische und überlebenswichtige Systeme an Bord unserer kleinen Flotte geben, nachdem #65 Befehle seines Captains ignoriert hatte, uns an Bord der Reizon eingesperrt hatte und eigenmächtig gestartet war, als reifes Ziel für die Abfangjäger des Asturban? Hatte er wirklich nur „Angst“ vor einer Löschung seiner jüngsten Persönlichkeit, obwohl doch nur ein Systemcheck im E.F.M.H-Komplex wegen der Fehlermeldungen während seines Updates geplant war? Hatten wir ihn verraten? Oder … waren wir einer dunklen Verschwörung der Maschine gegen die Menschheit auf die Spur gekommen? Warum nur gab es überall von Einheit #65 installierte Backdoors im System der Reizon? Warum hatte er Alienfragmente, Lebewesen, versteinernde Naniten und fleischfressende Organismen – mit dem Potential für Biowaffen – gesammelt und vor uns versteckt? Folgte er damit einer düsteren Konditionierung, einer Programmierung von Kriegsmaschinen aus den Portalkriegen, oder gar von noch früher? Beim Boten! Wir sind doch bereits mit zahlreichen Herausforderungen geplagt, warum nun auch dies noch? Kurz die Ereignisse zusammengefasst: Nach dem Rückflug ins Kua-System ließen wir unsere zertrümmerte kleine Flotte kurz warten, um uns im Orbit des Säureplaneten Jina noch einmal mit dem Dschinn zu treffen. Irgendetwas wollte Kevin (Einheit #65) noch von dem Syndikatsschiff bergen, es ging ihm um sensible Daten und Baupläne, um Tarntechnologie. Wir folgten ihm dabei blind – wie naiv wir waren, wofür er all dies vielleicht noch hätte einsetzen können, gegen Menschen in einer lang geplanten Revolution der Maschinen? Nun sehe ich das alles in einem klareren Licht. Im Orbit war die Kingston allerdings nicht auszumachen, vielleicht war dem incognito auftretenden Dschinn zu viel Sensorik vom Mond Cala Duriha mit seinem „Allsehenden Auge“ in der Nähe. Und so landeten wir auf Jina in der Minensiedlung Arams Kluft. Was für eine unwirtliche und gräßliche Gegend. Kraterlandschaften, allgegenwärtiger Säurefraß. Und die Bewohner mürrisch und einsilbig. Für ein paar Birr führte uns ein Raumhafenarbeiter zu Nohaks Kantine, neben einem noch übler beleumundeten Ort namens Oase wohl der einzige Ort zu „geselliger“ Aufnahme von Nahrung und viel Kohol. Dort angekommen, lernten wir ein junges Mädchen namens Marina kennen, das in schmutzige Lumpen gekleidet offensichtlich verloren an einem Tisch saß und zeichnete. Sie war eine Waise, die rudimentär von Nohak versorgt wurde. Sehr bemerkenswert sind ihre (und das im Vertrauen, Logbuch) vermutlich irgendwie mystischen Fähigkeiten, zu träumen, und dann Dinge zu malen. Darunter einen Monolithen, wie wir ihn schon einmal als Zeichnung sahen, in der zerstörten Daidalos II Station der Drakoniter auf dem Mond im Altai-System, auf dem wir damals gestrandet waren. Es stellte sich auch heraus, dass sie Dr. Enders kannte, der ihr vor mehreren Monaten auf seiner Durchreise mit der Thylacine hier begegnet war, und ihr Märchen von Pfaden zwischen den Sternen aus einer Zeit vor den Erbauern erzählte. Und von “Galaxie-verändernden Mächten”. Beim Boten! Marina muss darauf so reagiert haben wie auf meinen Teddy, den ich ihr extra aus meiner Kabine vom Schiff holte: voller Enthusiasmus! Das wärmte mein Herz, trotz dieses kalten Hauchs der Äonen. Sie schien einen ähnlichen Traum wie Moth zu haben, wiederkehrend. In dem sich beide begegnen, in einer kosmischen Vision. Sie sagt, sie fängt das schwarze Blut des Mannes aus dem Traum auf und sammle es. Und zeigte uns ein Kristallamulett, das tatsächlich mit einer unbekannten schwarzen Flüssigkeit gefüllte ist. Und das mir leichte Kopfschmerzen bereitet, nicht nur im übertragenen Sinn. Ich bin noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Nun war Arams Kluft gewiß kein Ort für so ein einsames und begabtes Kind! Wir holten sie dort heraus und nahmen sie mit an Bord, denn sie wollte die Raumfahrt kennenlernen. Zurück am Raumhafen entdeckten wir auch das Schiff des Dschinns und gingen zu einem Abschiedsgespräch zu vielen Themen an Bord. Die Tarntechnik seines Schiffes war fest verbaut. Das Schicksal meiner Schwester hing mit dem Wort Arkus zusammen. Es gäbe weitere Monolithen auf anderen Welten, so der Dschinn. Und er überreichte uns einige weitere verschlüsselte Informationen aus dem Fundus des Syndikats, die ich hier erstmal nicht im Detail erwähnen werde. Eine davon betrifft eine Madame Momasdi auf Sadal. “Die Schwarze Witwe”, wie mir T.K später erläuterte, als ich ihm Futter für seinen Ekilibri vorbei brachte und ihn um einige Recherchen bat. Und so flogen wir zurück zur Coriolis. Die Zarathustra würde etwa einen Monat repariert und verbessert werden, wieder unter der Aufsicht des bekannten Tomthen der Station. Inzwischen hatten wir beide eine Ebene des Auskommens gefunden, ich bin zuversichtlich. Wir hatten nun auch eine offizielle Lizenz für eine Thermalkanone, die wir auf Kredit vom Konsortium in die Zara einbauen lassen werden. Und wir besichtigten nun unser neues Leihschiff, die Luxusjacht Reizon. Ja, hier war er wieder, der adäquate Luxus für eine Prinzessin. Stutzen, Pflanzen, Säulen, Gemälde, Gold und Elfenbein. Auch wenn ich inzwischen deutlich spartanischere Gemächer gewöhnt bin, freute ich mich doch auf diese viel angenehmere Art des Reisens. Hier nahm aber auch das spätere unheil seinen Lauf. Die Maschine Kevin fordert vehement eine eigene Luxus-Suite, von denen aber nur vier vorhanden waren. Nicht einmal genug für die menschliche Crew. Das führte zu einigen Diskussionen. Kevin wurde eine normale Kabine zugewiesen. Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte ... Auf der Coriolis gabe es eine Reihe weiterer Entwicklungen sowie wichtige Meetings und Gespräche, auf die ich hier nur kurz eingehen kann. Jarros Kumbra hatte schwere Strahlenschäden davongetragen und saß im Rollstuhl. Seine Genesung wird noch sehr lange dauern. Mein Bruder war hingegen bereits einigermaßen wiederhergestellt abgesehen vom zertrümmerten Becken, muss sich aber noch Operationen am Kopf unterziehen. Er bat mich, gegenüber Vater nicht zu unversöhnlich zu sein. Wir werden sehen, wie es auf Dabaran laufen wird, denn das ist ja unser nächstes Zielgebiet im Auftrag von Dr. Wana, die momentan allerdings immer noch im Koma liegt, wenn auch inzwischen stabilisiert. Ich traf mich in der Teestube Burhans Cafe am Abstieg in die Archäologie-Gasse mit Ihrem Bruder Paolo Wana, wo jener mir ganz bürokratisch eröffnete, dass mein Vater schon unsere Schulden beglichen hätte und der Umbau der Zara in eine stationäre Beobachtungsstation geplant sei. Alles im Zuge meiner Hochzeit. Ich konnte meine Wut kaum zügeln und verweigerte meine Unterschrift. Hier mussten wir wirklich noch einiges klären. Ich erhielt auch eine Einladung zu einem Liveinterview in einer berühmten, Horizont-weiten Morgensendung von Nana Eliades. Bei den Ikonen! Drohte hier meine erneute Demütigung? Zein und Kevin gingen shoppen. Kevin kam mit dem bereits erwähnten Pelzkostüm zurück, das wirklich ungeheuer flauschig war. Aber immer noch kein Vergleich mit dem zarten Zwischen-Ohr Bereich eines Ekilibris! Zurück an Bord der Reizon ließ sich Moths Suite nicht öffnen. “Besetzt”. Kevin hatte sich in die System gehackt und eigenmächtig die Suite okkupiert. Er weigerte sich auch, mit zum Systemcheck im E.F.M.H-Komplex zu Dr. Naribu zu kommen. Dennoch landeten wir mit der Reizon auf Kua, in einem Hangar in der Konvent-Stadt, nahe des Monolithen. Eigentlich war unser Ziel, in eine anonymes Shuttle für den blinden Weiterflug zum E.F.M.H-Komplex zu betreten. Kevin weigert sich weiterhin. Im Video-Call mit Dr. Naribu erzählte ich diesem von Kevins eigenmächtigen verhalten und vom Systemupdate. Als ich ihm aus meinen Notizen die System- und Fehlermeldungen vorlas, insbesondere das Wort “Rusvanova Djinware”, da wurde er plötzlich sehr bleich. Er warnte mich vor dringender Gefahr für unser Leben. Wenige Augenblicke darauf war ein Störfeld um unser Schiff aktiviert und der Asturban informiert, welcher sofort ein Kommando von sechs Soldaten unter Leitung von Sergeant Harima zu uns schickte. Ich nahm sie außen in Empfang und wir betraten das Schiff. Hinter uns wurden kurz darauf durch Kevin alle Schotten verriegelt und das Schiff startete! Kevin setzte sich über alle Anweisungen hinweg und hatte das Schiff vollständig gekapert, um der Untersuchung zu entgehen. Wir hätten keine Chance gehabt, uns rechtzeitig durch die Tür der Suite zu schweißen, von der aus er wie eine Spinne im Netz die Reizon kontrollierte. Die Abfangjäger, die uns verfolgten, waren schon bereit, uns abzuschießen, denn eine wildgewordene KI über menschlichem Siedlungsgebiet hätte ungeheuren Schaden anrichten können. Nur weil Einheit #65 im letzten Moment einlenkte, das Schiff landete und sich herunter fuhr, kann ich dir von den Ereignissen berichten, liebes Audiolog. Die Löschung von Einheit #65 war nun zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden, eine Folge seiner aktuellen Handlungen, etwas, was vorher für mich niemals infrage gekommen wäre. Und nach vielen Stunden des Wartens im E.F.M.H-Komplex wurde er uns präsentiert: Neo-Kevin, kurz Einheit 66. Nach außen werde ich dieser neuen Einheit #66 freundlich begegnen, aber ob er unsere innere Reserviertheit spüren wird - und dann wiederum narzisstische Züge entwickeln wird, die in einer neuen Katastrophe münden werden … wer kann es sagen? Wir kommen aus den Verträgen mit dem Institut und der Millionenschuld für die Zara nicht heraus, ohne uns wiederum auf dieses lebensgefährliche Experiment mit ihm einzulassen. Es sei denn … ich beuge mich Vaters Willen. Manchmal frage ich mich, ob das nicht einfacher und leichter erträglich wäre. Layla Out.Andere Logbücher der gleichen Zeitspanne:
Moth I. Roxar Eintrag 14: Ein wink des Schicksals
Datum des Berichts
11 Oct 2020
Hauptschauplatz
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