Eintrag 16: Das Mosaik formt sich.
General Summary
Seta, der 5te Tag im Monat des Deckarbeiters im Jahr 61CZ
Aus dem persönlichen Audiolog von Layla Al-Biruni Der Anblick der wundervollen Wolkenstadt setzt mich immer wieder in Erstaunen. Diese prachtvolle fliegende Stadt ist eines der großen Wunder Dabarans, auf das wir Einwohner sehr stolz sind. Gepriesen seien die Ikonen! Niemals zuvor hatte ich allerdings den sehr prosaischen Unterbezirk und seine dreckigen Dockanlagen kennengelernt. Hier regieren nüchternes Metall, Abgase, schmutzige Arbeiter und schmierige Verwalter. Wie Dschaffar Lysander. Dieser in Gold und Violett gekleidete Administrator-Sultan des Lagerbezirks besuchte uns persönlich an Bord der Reizon. Natürlich nicht nur für Smalltalk und Erinnerungs-Fotos mit der berühmten entflohenen Prinzessin des Al-Biruni Clans und ihrer neuen, temporären Luxusjacht. Nein, er kam auch wegen Talapors Kiste. Er verunsicherte uns mit einem Witz über Kampfstoffe und drohte leise mit dem Unmut des Syndikats über das Öffnen und den damit verbundenen maximalen Wertverlust. Die leere Kiste wurde später abgeholt, Lynx, den Humaniter, durften wir an Bord behalten. Was sollen wir nur mit ihm anfangen? Ihn einfach irgendwo auszusetzen wäre schon sehr gemein, er weiss gar nichts über die Welt. Kann er lernen? Sollte ich ihn ganz traditionell als einen Diener halten, wie es meiner Herkunft gebührt? Oder ihm Freiheit schenken? Im Anschluss wechselten wir unseren Andockpunkt zum oberen, illustren und edlen Bereich der Wolkenstadt. Hier kannte ich mich aus seit meiner Kindheit, hatte mit meiner Schwester früher zahllose Shopping Touren in den Basaren unternommen und mich oft unter die Zuschauer bei den waghalsigen Gravitationsrennen gemischt. Eines Tages werde auch ich die hiesigen Parcours meistern, hatte ich mir geschworen. Aber ich bin vermutlich immer noch nicht gut genug als Pilotin, um da heil durchzukommen. Begeistert wie ein kleines Mädchen - und auch etwas wehmütig - zeigte ich meinen neuen Freunden die prachtvollen Aspekte meines alten Heimatplaneten. Bei angenehmen 45 Grad (und das unter Temperaturregulierten Kuppeln) schlenderten wir durch die Menschenmassen, Einheimische wie Touristen überall. Und Fans. Ich durfte einer Gruppe (natürlich) Turban tragender Dabarani Autogramme geben und konnte mich nebenbei über die aktuelle Lage bei den Wasserkriegen informieren. Außerdem beantragte ich einen Termin bei der Herrin über die Wolkenstadt, die im Moment leider keine Zeit für mich hatte. Generell fühlten wir uns überall beobachtet. Von kleinen Kameradrohnen. Von Leuten, die angestrengt Dinge in Tabulas tippten. Der Preis des Ruhms? Von der Wolkenstadt flogen wir weiter nach Lotus, dem Sitz des berühmten Mathematischen Instituts von Dabaran, wo wir dem Auftrag von Dr. Wana nachgehen wollten, ehe ich mich in die Fänge meiner Familie geben würde. Lotus, mit seiner riesigen Kuppel, ist die Hauptstadt von Dabaran und wird von Emir Al-Kanaba regiert. Meinem Stand entsprechend erhielten wir einen bevorzugten Landeplatz für die Reizon, die nach der Landung auf einer großen Fahrstuhlplattform in einen geschützten unterirdischen Hangar herabgesenkt wurde. Talapor, Zein, Marina, Neptik und Lynx blieben an Bord, offenbar jeweils mit eigenen Dingen beschäftigt oder bereits völlig geschafft von den Außentemperaturen jenseits von 50 Grad. Eine vornehme Kurtisane geleitete uns ins Innere von Lotus und durch die Straßen und Seitengassen der Stadt bis zum Mathematischen Institut, einem edlen Komplex mit Statuen und luxuriösen Springbrunnen. Wir folgten der Ausschilderung und Wegweiserdrohnen bis zum Büro von Professor Dahijaba. Wir trafen ihn allerdings nicht direkt an, sondern zunächst nur seinen Assistenten Dr. Torana im Nachbarbüro. Eine zufällige Begegnung, die möglicherweise den Horizont verändern könnte, das war mir schon in diesem Moment klar. Zufall? Beim Boten! Der noch sehr junge Dr. Torana, etwa in meinem Alter, hatte ein ungeheuer großes Interesse an Einheit 66. Dschinnsysteme schienen eines seiner Hobbies zu sein, neben seinen sonstigen Forschungsgebieten. Nur seine Nervosität schien noch größer zu sein als sein Forschungsdrang, und als dann noch eine hübsche Prinzessin (hihi) direkt neben ihm stand, wurde er sichtlich noch unsicherer. Aber mit seiner Hilfe konnten wir in einer recht spontanen “Operation” an Einheit 66 einige der Geheimnisse der Rusvanova-Djinnware und des Phylakterions ergründen. Auch wurde das Update der Systeme diesmal hoffentlich korrekt durchgeführt, es lief laut Debugger ohne Fehler durch. Ich schwor mir, dass dies das letzte Mal sein würde, dass ich dieser eigensinnigen künstlichen Intelligenz, die aber offenbar auch organische Anteile im Phylakterion besitzt, bei der freien Entfaltung seiner Bestimmung helfen werde, falls er uns wieder hintergehen wird. Neben diversen Upgrades wurden auch Speicherbereiche mit neuen Erinnerungsfragmenten freigelegt. Neben der bereits bekannten Folterszene gab es nun auch ein Fragment, wo ein menschlicher Offizier eine humanoide Kampfdrohne zu eigenmächtigem Verschonen eines Kindes befragte. Diese Befragung endete offenbar mit einer offenen Rebellion. War dies die Ursache für die Radikalisierung der Maschinen? Überall offene Fragen. Wir müssen Einheit 66 weiterhin unter strengster Beobachtung halten, solange die Hintergründe ungeklärt sind. Das Phylakterion soll übrigens vom Institut bei einer archäologischen Ausgrabung auf den Waldmonden im Uharu-System gefunden worden sein, wo auch eine Forschungsbasis namens Minerva zu finden sei. Und genau in diesem System ist auch meine Schwester verschwunden, im Auftrag Dr. Wanas! Dr. Wana und Dr. Naribu sollen den ursprünglichen Entdeckern Dr. Marrakali und Chuma Hirami das Phylakterion auf irgendeinem Weg entwendet haben; parallel gab es Betrugsvorwürfe gegen Marakari und Hiram im Kontext des Verschwindens dieses wichtigen archäologischen Funds, die zu deren Versetzung bzw. Ausscheiden aus dem Institut führten. Vielleicht sollten wir uns einmal mit ihnen in Verbindung setzen. Dies alles ereignete sich zu einem Zeitpunkt, als Dr. Naribu die Forschungsmittel gestrichen werden sollten. Hier schien eine mächtige Verschwörung im Hintergrund zu lauern, und Dr. Wana scheint dabei eine wichtige treibende Kraft mit krimineller Energie zu sein. Oder schien. Sie liegt aktuell ja noch im Koma nach der Katastrophe im Hamura-System. Im Hintergrund zog allerdings eine sehr reiche und einflußreiche Person namens Patrow Iwanow die Fäden, der die Forschung im E.F.M.H-Komplex nun finanzierte und offenbar an einer Rekonstruktion der alten gefährlichen Djinnsysteme arbeitete. Seine aktuell erfolgten Untersuchungen an Einheit 66 wollte Dr. Torana zu seiner eigenen Profilierung nutzen, um sich dann bei Iwanow zu bewerben. Ich bat ihn inständig, ethische Prinzipien dabei nicht über Bord zu werfen. Andernfalls würde ich wiederkommen und ihm die Wut einer Prinzessin demonstrieren. Vermutlich hat er es nicht wirklich verstanden, welche Risiken er eingeht. Die Erinnerungsfragmente von Einheit 66 gaben uns auch weitere Stichworte zur Orten seiner Historie, oder der des Phylakterions: Denera, ein Mond im wahnsinnerzeugenden Rigel-System (in dem ich ohnmächtig geworden war). Tarazug, das Operationsgebiet der Einheit aus der visuellen Erinnerung. Und ein Stichwort “Lazarus”, das ich nicht mehr genau einordnen kann. Im Büro von Dr. Torana hatten wir übrigens eine Kameradrohne (ähnlich der von Zein) entdeckt, die uns offenbar verfolgt hatte. Er deaktivierte sie, und ich nahm sie mit, vertraute sie später Einheit 66 an, in der Hoffnung auf einen verantwortungsvollen Umgang damit im Sinne der Crew. Inzwischen hörten wir auch Geräusche im Gang. Arbeiter brachten irgendwelche Kisten in das Büro von Professor Dahijaba nebenan. Und auch er selbst erschien. Wir verabschiedeten uns von Dr. Torana, der bereits völlig geistesabwesend an seinen neuen Daten arbeitete. Prof. Dahijaba eröffnete uns, das er Yehenna für ein Märchen hielt. Es gäbe sicherlich keine Geheimnisse im dabaranischen Wüstensand. Dafür aber an einem geheimen Ort “da draußen” im All, zu dem nur er die Koordinaten habe. Er möchte, dass wir ihm im Gegenzug zu einem (aus seiner Sicht) günstigen Preis bei den Informationen zu Yehenna dorthin begleiten. Das Ziel sei eine alte dabaranische Raumstation. Die Information könnten wir voraussichtlich dort finden. Die Expedition sollte am morgigen Tag starten. Wir willigten nach einigen Verhandlungsrunden ein und planten den Rest des Tages mit Einkäufen und Sightseeing in Lotus zu verbringen. Beim Verlassen des Büros fiel mir auf, dass Einheit 66 unaufgefordert komplizierte mathematische Notizen auf dem Whiteboard des Professors ergänzt hatte, was von diesem aber nicht bemerkt wurde. Genie und Wahnsinn … Am nächsten Morgen erschien Prof. Dahijaba zusammen mit einer militärisch auftretenden Frau namens Amirah Tasch in unserem Hangar, die er als seine Leibwache vorstellte. Standesgemäß war sie auch bis an die Zähne bewaffnet, was sie mir spontan sympathisch machte. Diplomatisch machte ich also eine Ausnahme von meiner sonst so strikten “No Foreign Guns Policy” an Bord meiner Schiffe, ließ mir aber zumindest ihre Granaten aushändigen und lagerte sie in meinem Tresor. Der Flug zur Station innerhalb des Dabaran-Systems dauerte 2,5 Tage. Unsere Langstreckensensoren erfassten ihr Signal. Sie war aber von einem gewaltigen Nebelschleier unbekannter Natur umgeben. Als wir uns bis auf Sichtkontakt näherten, wurde klar, dass es sich um ein bisher völlig unbekanntes Phänomen handelte. Ein grauer Nebel wie aus Teilen von Pflanzen oder Sporen hatte die Station überwuchert und machte auch in ihrer näheren Umgebung den Anflug unsicher. Sobald die Rotation der Station diesen Schleier dem Licht der dabaransiche Sonne aussetzte, wandelte sich die Farbe in wunderschönes, glühendes Purpur. Dennoch war unser erster Impuls, dezente Feuerstöße aus den Bordwaffen zu nutzen, um die Reaktion des Nebels zu testen. Der Professor gebot uns aber Einhalt und riet uns, nicht sofort auf alle unbekannten Dinge zu schießen. Er hat recht - aber vermutlich auch noch nicht so entsetzliche Erfahrungen im All gemacht wie wir. In diesem Moment versuchte Moth offenbar, auf mystischem Wege etwas über das Phänomen in Erfahrung zu bringen - und fiel in Ohnmacht. Offenbar hatte er auch wieder ein Vision, denn er murmelte noch “Haltet 500 Meter Abstand, mindestens”. Pragmatisch, wie ich nun mal bin, setzte ich das sofort um und erhöhte unseren Abstand von der Station. Währenddessen kümmerte sich Prof. Dahijaba auf der Krankenstation um Moth. Dort kam es zu einem weiteren Vorfall, wie mir gerade gemeldet wird: Neptik hat das Deck der Ikonen aus Moths Tasche entwendete und verschwand damit in den Gängen der Reizon. Was ist nur wieder los hier? (Hastig) Layla Out.Andere Logbücher der gleichen Zeitspanne:
Moth I. Roxar Eintrag 16: Der letzte Tropfen
Datum des Berichts
08 Nov 2020
Hauptschauplatz
Nebenschauplätze
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