Eintrag 3: Unerwartete Gäste

General Summary

Roxar, 17ter Tag im Monat des Boten, Jahr 61CZ

Aus dem persönlichen Audiolog von Layla Al-Biruni   Mein liebes Log, was du da im Hintergrund hörst, sind Dschungelgeräusche von Kua und das Gezeter von psychisch sehr mitgenommenen Ekilibris. Darf ich verrückt sagen, Neptik? Ah, ok, also krank und bemitleidenswert.   Nun, wie komme ich an diesen wilden und extrem heissen Ort, wo ich endlich mal die Ruhe finde, mein Tagebuch weiterzuführen?   Wir waren also noch vor einigen Tagen unter der Oberfläche des Mondes des Gasplaneten Orva im Altai-System unterwegs, nachdem wir die überfallenen Forschungsstation der Drakoniter entdeckt hatten.   Tief in den dunklen Tunneln begegneten uns zunächst zerfetzte und entstellte Überreste von weiteren Söldnern, den Angreifern, welche die Wissenschaftler begleitet hatten. Es kostet einiges an Mut, trotzdem weiterzugehen, wobei ich sehr positiv von Zeins mir sehr ähnlichem Entdeckergeist überrascht war, sich der unbekannten Gefahr zu stellen und sogar alleine auf Erkundung voraus zu schleichen. Sie entdeckte eine größere Höhle mit einem Überlebenszelt, das ein blinkendes Notlicht durch die Gänge schienen ließ.   Als wir uns dann alle gemeinsam dem Zelt näherten, brach eine Flut von flinken, klauenbewehrten und knochenzerfetzenden Kreaturen aus verschiedenen Winkeln der Höhle über uns herein, die wir nur mit außerordentlicher Koordination und Tapferkeit in die Flucht schlagen konnten. Diese Tunnelfetzer scheinen eines der großen Geheimnisse auf diesem Mond zu sein. Zum Glück waren sie recht anfällig für unsere Stun Guns und ergriffen nach kurzem Gefecht die Flucht.   Mindestens eines der Wesen hatte die Begegnung mit uns nicht überlebt. Leider traf das Gleiche auch auf den abtrünnigen Biowissenschaftler Dr. Raymond Enders und seinen gepanzerten Leibwächter zu, die den offenbar spontanen Sauerstoffverlust im aufgeschlitzten Zelt mit dem Leben bezahlt hatten. Im Zelt fanden wir außerdem ein völlig zerstörtes mobiles Bio-Labor mit diversen Proben der Kreaturen in verschiedenen Behältnissen.   Zur Dokumentation machte Zein sorgfältig Fotos von Enders Leichnam und dem toten Tunnelfetzer. Ein dunkler Schauder bedrückte uns alle, als wir die Kreatur näher studierten. Ikonen, steht uns bei!   Dennoch entschlossen wir uns, sie samt den Proben als wichtige Studienobjekte für die Wissenschaft mitzunehmen, was uns wegen der geringen Gravitation des Mondes wenig behinderte. Wir traten den geordneten, aber schnellen Rückzug aus den Tunneln an. Wir hatten zwar das skizzierte Artefakt nicht lokalisiert, aber das Schicksal von Dr. Enders aufgeklärt.   Meine militärische Expertise als Ex-Offizieren in der Dabaranischen Navy zeigte mir klar unsere Grenzen hier unten in diesem weitverzweigten System von Tunneln auf; wenn wir hierhin zurückkommen, dann mit einer robusten und kampferprobten Expedition und deutlich mehr Ressourcen.   Das mysteriöse EMP-Gerät lösten wir mit Schneidbrennern aus seiner Verankerung und versteckten es in mehrstündiger Arbeit in einem improvisierten Sarkophag aus zusammengeschweißten Nahrungscontainern, zusammen mit der Leiche eines Tunnelfetzers. Mit etwas Glück würde das als schrankgroßer Koffer einer exzentrischen Prinzessin gut durchgehen *unterdrücktes gluksen*. Nun, die Ikonen waren uns in dieser Hinsicht leider nicht günstig geneigt - Ehre sei dem Boten, wir hatten es wohl nicht anders verdient, aber dazu später mehr.   Eine ältere Dame unter den überlebenden Passagieren der Arcadian, Madame Owens, hatte inzwischen vom Schiff aus in Abstimmung mit uns Kontakt zur Portalstation aufgenommen, um unsere Rettung zu veranlassen. Womit wir allerdings nicht gerechnet hatten: sie prahlte über Funk mit ihrem Reichtum und versprach gute Bezahlung. Mir war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, wer denn in einem offenbar korsarengeplagten System zuerst zu unserer Rettung erscheinen würde.   Am dritten Tag nach diesen Ereignissen war es dann soweit. Die Marara, ein Klasse-4 Schiff mit deaktivierter Signatur traf über unserer Position ein. Kein gutes Zeichen. Ein Shuttle landete neben der Arcadian, die uns mit den geborgenen Restvorräten als Zuflucht gedient hatte. Egal, es war an der Zeit, diesen unwirtlichen Mond zu verlassen. Zunächst lief auch alles glatt. Man nahm uns zusammen mit den anderen Überlebenden an Bord, inklusive Gepäck und - dank sei dem Boten! - auch mit dem großen "Prinzessinengepäck".   Die Crew wirkte seltsam zusammengewürfelt und wild gekleidet, wie Korsaren, doch ihr Handeln passte überhaupt nicht dazu. Es schien eine Hierarchie zu geben, die an einen Orden erinnert, man sprach von einer Meisterin. Wir bekamen kleine Kabinen (was war ich früher Besseres gewohnt, aber das ist der Preis meiner neuen Freiheit) und dann auch Platz in Stasiskammern.   Als man mich aus der Stasis weckte, ging das Unheil los. Nicht nur verletze man meine Intimsphäre beim Umkleiden, sondern wir wurden einem Verhör mit sehr deutlichen Drohungen ausgesetzt. Ein unangenehmer Typ namens Meister Patch - bio-modifizierter Humaniter, schleimig-bedrohlich und einfach widerlich - quetschte uns aus, ohne seinerseits irgendwelche Informationen zu geben.   Waren das nun Korsaren, bei denen wir an Bord waren? Gesetzestreue Chaoten? Pariah? Drakoniter? Mir war nicht klar, wieviel wir über das EMP und die aufgefundene Basis preisgeben durften. Dass das Gespräch angeblich aufgezeichnet wurde (was sich aber als Bluff und Übertragungskanal zum Captain Hizir herausstellte, der sich zu fein war, das Verhör selbst zu leiten), machte alles noch viel komplizierter.   Layla, Layla, du musst noch sehr viel lernen, wenn du einmal ein guter Captain werden möchtest - das war mein stilles Fazit danach. Ich sehnte mich nach der Klarheit, die ich im Cockpit finde ...   Nur die Erinnerung an das Schwebende Wadi der Tänzerin in den Dünen von Shara-Mahut auf Dabaran gab mir die Leichtigkeit und innere Distanz zurück, um die Situation nicht mit dem Brechen von Fingern zu beenden, was vermutlich zu einem schnellen Verlassen des Schiffes ohne Raumanzug geführt hätte. Aber im Kopf bleibt das Bild, wie ich dem Schleimbeutel zuerst die Hand breche und ihn dann in die Mündung einer Vulcan schauen lasse … ja, das ist eine nur aufgeschobene Verheißung der Ikonen, mein „Freund“.   Ich kam also mit der Wahrheit heraus. Nein, wir selbst sind keine Drakoniter. Ja, wir hatten Drakoniter-Technologie geborgen (die offenbar irgendwelche Signale sendete) und nun im Besitz - aber mit dem Ziel, sie an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.   Und auf einmal zeigte sich unser Gegenüber umgänglich. Man werde das vermitteln. 10.000 Birr erhielten für den Sarkophag, inklusive EMP und Tunnelfetzer. Ein „Nein“ kam nicht infrage, das war uns allen klar. Ich hoffe, das Gerät kommt in die richtigen Hände, es ist so unglaublich gefährlich. Wir hatten es am eigenen Leib erlebt, was es anrichten kann. Später gab es Grund zur Hoffnung. Es gibt wohl Gerüchte, dass Captain Hizir früher einmal Drakoniter gewesen sei - und es vielleicht immer noch ist. Vielleicht bleiben wir in Kontakt. Ich habe auch noch ein kleine Rechnung mit seinem Meister Patch offen...   Wir wurden nun aber aber sehr freundlich behandelt und auch wie versprochen nach Kua gebracht. Hier trennten sich unsere Wege von den anderen Passagieren und auch von Raymond. Mit Madame Owens werde ich auch auf jeden Fall weiter Kontakt halten, mir imponiert ihre Selbstsicherheit und Fähigkeit, andere in ihrem Sinne zu dirigieren.   Als Teil meiner (hoffentlich) zukünftigen Crew verblieben neben Neptik noch Moth, Jibri und Zein. Zusammen wurden wir von einem Shuttle zum Suq des Reisenden Pilgers auf die Oberfläche von Kua gebracht. Dieser legendäre Bazar von Informationen und vielen anderen Dingen war mir von Dr. Wana als Treffpunkt genannt worden, um die Verhandlungen über mein, halt: unser, neues Schiff abzuschließen. Ich bin gespannt, ob sich der Plan, eine Station in eine mobile Operationsbasis für Erkundungen im Horizont umzuwandeln, von Erfolg gekrönt sein würde.   Der Suq war eine wunderbare Erfahrung voller bleibende Impressionen. Ich werde öfter hierherkommen. Der Eigentümer T.K scheint sehr religiös zu sein, denn sein Suq ist zumindest im vorderen Bereich noch immer ein uralter Tempel, wo man T.K beim Meditieren nicht stören sollte. Aber dennoch schein er auch über allerbeste Verbindungen und Informationen zu verfügen. Sein gepanzerter Ekilibri, der beim Eintritt alle unsere Ausrüstung und Lizenzen überprüfte, hat sichtlich auch auf Neptik einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nun will er auch so eine Rüstung und verantwortungsvolle Position, ich wußte es doch. Na, mal schauen.   Tiefer im Suq bricht dann ein Mix voller Erfahrungen auf die unbescholtene Besucherin hinein. Hätte ich nicht meine Aufgabe klar vor Augen gehabt, hätte ich vermutlich mehrere Wochen mit Genüssen aller Art, Gesprächen im Drogenrausch und obskuren Orgien und Tänzen verbringen können. Nicht, dass ich solchen Gelegenheiten völlig abgeneigt wäre, aber alles zu seiner Zeit.   Dr. Wana hatten wir leider aufgrund unseres Absturzes um mehrere Tage verpasst. Wir konnten aber in Erfahrung bringen, dass sie sich noch auf Kua aufhielt, allerdings mitten im Dschungel bei einer archäologischen Fundstelle im Terenganu Tal mit dem etwas prosaischen Namen „Ausgrabungsstätte 9“. In der Nähe sollen sich Ruinen der Portalbauer befinden ... oh, bei den Ikonen, ich finde das so spannend, wie oft haben meine Schwester und ich als Kinder von solchen uralten Bauwerken und ihren Geschichten geträumt. Wer waren die Erbauer? Welche Wunder warten dort auf uns? Nun, wie sich herausstellte, erstmal viele Dornen, Schlingpflanzen und Insekten - die kamen damals in unseren Traumgeschichten eher am Rande vor.   Wir mieteten ein Shuttle, da der Weg durch den Urwald zu beschwerlich und nach Hörensagen auch sehr gefährlich war. Während des Fluges erspähten wir breite Schneisen im Dschungel, die laut Pilot und weiteren Ausführungen von Moth von unsichtbaren, riesigen Kreaturen geschlagen werden, die jeden verschlingen, der ihnen begegnet. Beim Boten, so langsam glaube ich wohl jede Geschichte, aber nach allem, was wir schon erlebt haben, könnte auch das wahr sein …   Wir landeten bei einem See mitten im Dschungel, in der Nähe, aber durch einen Wasserfall und einen breiten Fluss vor uns verborgen, sollen sich kleine Siedlungen von Ureinwohnern und eingewanderten Holzfällern befinden. Angeblich waren die Archäologen informiert worden und würden jemanden schicken.   Was da aber statt seriösen Wissenschaftlern aus dem Dschungel kam, war eine mysteriöse alte Frau mit zahlreichen Tätowierungen, die Moth eigenartig ansah und dann als eine Art Boten einer Prophezeiung behandelte. Diese Hexe las seine Handflächen und murmelte unverständliche Weissagungen, in die der gute Moth, vermutlich etwas überfordert, dann munter mit einstimmte. Oder war das Geschehen hier doch ein Zeichen der Ikonen?   Aus unserer fast religiösen Andacht wurden wir gerissen, als urplötzlich eine offenbar intelligent Drohne über uns kreiste und uns mit einem etwas profanen „Heyho!“ begrüßte.
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Datum des Berichts
10 May 2020
Hauptschauplatz
Nebenschauplätze

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