Wahid 1ter Tag im Segment des Boten im Zyklus 63 CZ
Aus dem persönlichen Audiolog von Layla Al-Biruni
Erwachen aus Dunkelheit. Langsam, schmerzvoll. Lebendig?
Heimlicher Blick auf die Umgebung: Vorhänge, Tonkrüge, Kräuterduft - und das dezente aber hartnäckige Piepen von lebenserhaltenden Maschinen. Ein Tropf mit durchsichtiger Flüssigkeit, die in meinen Arm läuft. Ich spüre eine große Schwäche in meinen Muskeln.
Fenster zeigen den Blick auf eine grüne Landschaft und weiten Himmel.
Cassiopeia im Nachbarbett, ebenfalls in einem sehr losen Patientenkittel.
Sie unterhält sich leise mit einem weißbärtigen Mann, der sich als Medikurg
Minash Al-Harim vorstellt. Wir sind in der renommierten
Parona-Kui Klinik –– auf Kua! Das ist ziemlich weit weg von Dabaran …
Die Klinik ist spezialisiert auf die Behandlung der Hyperkrankheit … offenbar hatte irgendetwas mit unseren Kryokapseln nicht funktioniert. Und wir waren eine ganze Woche im Portalraum unterwegs gewesen … ich wollte aufstehen, brach aber sofort zusammen. Das hatte ich in der Form noch nicht erlebt, ich hasse meine Hilflosigkeit.
Weitere Informationen hielten der kompetent wirkende Arzt und bald darauf auch unsere zuständige Schwester zurück, wir sollten uns schonen. Vor der Tür sah ich kurz zwei Wachen in der Uniform der Hausgarde Al-Biruni. Es stellte sich später heraus, dass sie unter dem Kommando von
Azalais standen, die nun offiziell im Haus Al-Biruni angekommen war und uns beschützte, was mich sehr beruhigte, denn mein Zustand war zu schwach.
An der Wand des Zimmers: ein Tisch mit Blumen, Berge von Karten, Genesungswünsche?! Alle ohne Datum … die wichtigsten Absender, unter vielen anderen: meine Mama, mein geschätzter Ehemann, Dr. Wana, Iwanow Senior & Junior, die CORIOLIS (!?), Dr. Naribu, Zein, Dr. Talapor (!!), Judikatorin Kosha, Karamesh, und eine Salamah, die mich irgendwie konspirativ im Garten der Klinik treffen möchte; ich konnte sie momentan nicht richtig einordnen. Hunderte weiterer Grußkarten, die meisten von Dabaran.
Es bedurfte einiger (mit Flüchen verbundenen) Anstrengungen, wenigstens einen Statusreport zu meiner Mannschaft zu erhalten.
Zein traf ein, sonnengebräunt wie aus einem langen Urlaub, und brachte uns einige Neuigkeiten sehr schonend bei. Das Ergebnis war in der Tat niederschmetternd …
Ein Schmetterlingsschiff habe uns während des langen Portalsprungs verfolgt, nur Trümmer der zalosianischen Flotte hatten uns Deckung gegeben. Torpedos, anomale Löcher schießend. Das Portal nach Uharu ist zusammengebrochen. Dabarans Sonne hat nun einen gewaltigen Trümmergürtel, die Reste der Blockadeflotte die zusammen mit unserer schwerbeschädigten
Zara noch dort ankamen, die sich nun in einem Reparaturdock im äußeren Kua-System befindet.
Wir sind angeblich die einzigen Überlebenden der Katastrophe von Uharu, werden “Helden” genannt … aber …
Rey ist tot!
Lynx ist tot! Auch
Nadina hat nicht überlebt. Der
Wächter der Zeit ist nun wohl völlig wahnsinnig. Unsere KIs, Lavinia und Lazarus, seien nun zu einer neuen Wesenheit namens
Lazinia verschmolzen, was auch immer das bedeuten mag. Alle anderen noch im Koma.
Oh Rey, es tut mir so leid. Ich wollte dir doch eine Chance für den Neuanfang bieten. Und nun bist du im Dienste der Zara gestorben, so wie dein Freund
Uther … und Lynx: du hattest ja gerade erst angefangen, dich selbst zu finden …
Ich beginne die Bürde des Captains nun erst richtig zu verstehen …
Wie sich weiter herausstellte, stand in wenigen Tagen wieder die Zykladenfeier an, von 62 auf 63. Wir hatten zwei Segmente im Koma gelegen.
Uns standen einige sehr harte Tage im Rollstuhl und mit Rehabilitationstraining für die Muskeln bevor, was mich aber sehr gut von der Katastrophe ablenkte. Kräfte sammeln, dann wieder agieren.
Ich hörte nachts öfter die Stimme meiner Schwester in meinen Träumen, als wäre sie direkt im Raum. Und unser Arzt meinte unabhängig davon zu mir, er habe gesehen, wie eine Frau in Institutskleidung, die er für meine Schwester hielt, mich öfter hier im Patientenzimmer besucht habe. Meine Nachforschungen ergaben, dass es keine Verwechslungsmöglichkeit mit Klinikpersonal gab, aber ich konnte das Rätsel noch nicht lösen.
Denn wir waren ein Spielball zenithischer Ränkespiele und Zeitplanungen. Das
Konsortium bezahlte zwar unsere Rechnungen (Klinik, Reparatur usw.), hinderte uns aber an freier Kommunikation mit allen anderen vor der Zykladenfeier.
Verion Sidonna, ein berühmter Astrophysiker, bot uns im Namen des Konsortium einen Vertrag mit ihm als neuen Patron an, wenn wir die Geheimnisse rund um die Uharu-Katastrophe und die Schmetterlingsschiffe exklusiv weiter auf Missionen erforschen aber nur mit ihnen teilen. Ich berichtete ihm wahrheitsgemäß etwas von den Ereignissen in Uharu, denn alle im Dritten Horizont müssen von der möglicherweise bevorstehenden Invasion gewarnt werden.
Im Vertrauen (und nach Aktivierung von Störsendern) vertraute Sidona uns an, dass Nachforschungen zu den beiden Legionären ergeben hätten, dass sie Angehörige von
Nazareems Opfer gewesen waren, eines uralten Kultes, Schläferzellen im Auftrag des Ersten Horizonts, die es eigentlich garnicht mehr geben sollte. Waren sie die erwachenden Schläfer aus der Vision des Schmetterlings?
Etwas später erschien
Faida Din Hrama, berühmte Kommandantin des Flaggschiffs der Salakhad-Flotille, eine Vertreterin der
Hegemonie, mit einer jungen Adjutantin aus dem Elitegeschwader der Nachfalken und acht Judikatoren als Wache. Sie trafen uns auf der Gartenterrasse der Klinik. Ich berichtet auch hier kurz von unseren Erlebnissen in Uharu, und Faida Din Hrama machte ebenfalls das Angebot, als unsere neue Patronin zu wirken, wenn wir Unruhen in Randsystemen sowie weiteren Sichtungen von Schmetterlingen nachgehen, von denen der
Asturban Kenntnis erhalten hat. Aber auch hier müsste alles exklusiv sein, wir dürften unser Wissen und zukünftigen Erkenntnisse mit niemandem sonst teilen. Die Entscheidung über die Angebote müsse bis zur Zykladenfeier getroffen werden, dort würde sie feierlich verkündet.
Und schließlich hatten wir eine sehr konspirative und dann blutige Begegnung im Garten der Klinik, in einem Moment, wo merkwürdigerweise die Wachen abgezogen waren und auch niemand vom Asturban in der Nähe war.
Diakonin Salamah von Zalos, nun erinnerte ich mich! Nur meine Leibgarde war bei uns, die ich aber etwas aus Hörreichweite fortschickte, nachdem ich, immer noch sehr schwach, einen ihrer Vulkankarabiner ausgehändigt bekam.
Salamah, die gefährliche Anführerin des Märtyrerkommandos, nun gekleidet in goldene Gewänder und nicht in Kampfmontur, suchte also Kontakt zu uns. “Wie habt Ihr die Kalte Flamme besiegt?”, war ihre Frage. Bevor wir richtig in ein Gespräch kommen konnten, wurde sie überraschend durch einen Schuß aus einem Scharfschützengewehr niedergestreckt, ihr halber Arm wurde dabei abgerissen.
Sofort wurde auch auf uns das Feuer aus Vulkanwaffen eröffnet. Offenbar hatten Soldaten des Märtyrerkommandos die Diakonin begleitet. Aber wer hatte auf Salamah geschossen? Unter einem Tisch in schwacher Deckung, versuchte ich zunächst erfolglos, den kritischen Zustand der Diakonin zu stabilisieren, was aber erst der hinzu eilenden Azalais gelang. Die Zalosianer konnten mit vereinten Kräften in die Flucht geschlagen werden.
Salamah wurde zu einer Notoperation in das Innere der Klinik gebracht. Ich kam persönlich für die Kosten auf. Wir brauchen Antworten von Zalos! Und ihre Hilfe gegen den Ersten Horizont. Sie blieb aber in den weiteren Tagen im Heilkoma und nicht ansprechbar. Ich machte aber klar, dass sie unter meinem persönlichen Schutz steht und ließ sie später auch in unseren Raum verlegen.
Wir wurden ansonsten auch in den nächsten Tagen systematisch von der Außenwelt abgeschirmt, es sei alles sehr gefährlich da draußen. Wir versuchten erfolglos,
Philosoph Karamesh zu erreichen, der offenbar nun neue spirituelle Pfade mit den Kindern des Liedes einschlägt. Nur einmal gelang es uns unter einem Vorwand, die Klinik zu verlassen (offiziell zu einem Eisessen, insgeheim, um Cassopeia vielleicht die Möglichkeit zu geben, Dabarani oder andere Erstsiedlerfraktionen und Nomaden zu kontaktieren), aber nur, weil ich die Rolle der anmaßenden Sheika gut spielte, die für mich aber langsam natürlicher wirkt. Draussen bildeten sich sehr rasch Menschentrauben, und Schwärme von Kameradrohnen kreisten um uns, weshalb wir leider nirgendwo unbeobachtet sein konnten.
Nachts wieder Albträume. Die Stimme – des Abgesandten? Ich kann mich nicht erinnern. Das Flüstern meiner Schwester. Morgens ließ ich die Logfiles prüfen, es stand wirklich eine Dr. Avazeh Al-Biruni in der Liste … werde ich nun völlig wahnsinnig, oder ist es der Wurm in meinem Kopf, ein Parasit vor dem mich Medikurg Al-Harim warnte – er sei mir meinem Rückenmark vernetzt; man könne ihn aber in dieser kompetenten Klinik hier entfernen, so wie man mich auch von Strahlung und Hyperraumkrankheit geheilt habe …
Für nichts davon blieb Zeit, denn die Zykladenferien begannen.
Früh am Morgen wurden wir von Krankenhauspersonal, den Bulletin-Mitarbeitern Taron und Maradi sowie fünf Judikatoren geweckt und für den Tag festlich herausgeputzt. Es ging dann zum Monolithen in die Konventstadt und über eine der großen Vertikalstraßen, vorbei an der Verbotenen Stadt des Asturban.
An zwei Aufzügen mussten wir uns schließlich kurz aufteilen. Es gab irgendeinen Tumult, und eine Frau in teuren roten Gewändern kam zu uns in den Lift, die Cassiopeia offenbar kannte:
Sahdi Bat-Erden. Offenbar hatte sie diese Gelegenheit geplant. Cassiopeia konnte mir später etwas mehr zuraunen: Sahdi sei Morgul-Abstämmige, also eine Nachfahrin der Morgulflotten des Zweiten Horizonts, die in den Säulenquadranten geflohen waren und nun als Jangir-Flotte bekannt sind. Wir könnten als “Problemlöser” in ihre Dienste treten. Von Exklusivität war hier nicht die Rede. Zu den anderen Offerten gab uns Sahdi noch schnell Informationen: Faida arbeite für den Asturban, Verion für die Sonderabteilung des Konsortiums (auch Nadina habe dafür gearbeitet). Geheimdienste überall. Wir konnten uns nur ganz kurz unterhalten, bevor Sahdi den Aufzug schnell wieder verließ. Mein Kopf war nun noch wirrer …
Oben ging der Trubel sofort weiter. Kameradrohnen. Menschenmengen, auch Schimpftiraden aus dem Mob? Was hatten wir denn nun wieder verbrochen, Ihr Plebejer? Weiter zum Palast der Hegemonie, dem Sitz von Haus Quasar. Statuen von Helden der Zenither. Der Höhepunkt der Zykladenfeiern nahte. Und wir wurden ganz klar von den Zenithern instrumentalisiert …
Eingangshalle, weitere Reporter des Bulletins, Faun-Truppen von Haus Quasar, Waffenabgabe bis auf rituelle Gegenstände und die Waffen der Leibgarde. Dann in den ersten von zahlreichen Bankettsälen. “Ganz locker sein, ganz natürlich …” raunten uns die Bulletinprofis zu. Mahadi Alana, in Rot-Gold gekleidet, war die offizielle Moderatorin des Abends.
Ein Dabaranischer roter Teppich wurde ausgerollt und wir als die “Helden von Uharu” offiziell begrüßt. Helden der Zenither. Kampf mit dem Paria-Orden tief hinter feindlichen Linien? Ich war vollkommen überfordert von all der Propaganda, deren Teil wir nun waren … Dann wurden wir von Würdenträgern, Geschäftsleuten aber auch kulturellen Funktionären überrannt. Cassiopeia blühte auf als Partygirl. Ich selbst ging irgendwann hinter einer Säule in Blickdeckung. Aber auch hier war ich nicht sicher.
Eine Kurtisane holte uns ab zu einem Treffen mit Admiral Abaren Quasar persönlich, von dem ich viel gehört hatte: der frühere Captain der Zenith, persönlich! Wir hatten zunächst ein sehr interessantes und freundliches Gespräch, wo ich Fragen zu Al-Arda stellte und vom Entdecken des mysteriösen (“chinesischen”?) Raumschiffs im System der Lotus-Station durch meine Crew berichtete. Er berichtete von drei großen Fraktionen damals auf Al-Arda.
Natürlich ging es aber hier letztlich um das Angebot der Hegemonie. Einigkeit schaffen, den Horizont zusammenhalten. Leider endete das Gespräch in einem massiven Eklat, als Cassiopeia sich unbewusst (oder absichtlich?) höchst undiplomatisch gerierte, die Ethik des Captains infrage stellte und ihn in seiner Ehre verletzte. Und so brach er die Unterhaltung wütend ab.
Cassiopeia deutet kurz an, dass sie noch einmal Kontakt zu Sahdi Bat-Erden auf der Feier hatte, ein Signal sei vereinbart, falls wir auf ihr Angebot eingehen wollen (was mir in Hinsicht auf Details noch sehr unklar war). Eigentlich hatte ich zum Konsortium tendiert. Aber als mir in dem nun gleich anschließenden Treffen die Fußangeln des Vertrags offenbart wurden, den ich einfach schnell unterschreiben sollte ohne Verhandlungsoption, platzte mir der Kragen. Würden wir nämlich irgendwie gegen die Geheimhaltungsklauseln verstoßen (z.B. andere Fraktionen oder Dabaran vor entdeckten Gefahren warnen), würde die Zarathustra und all unsere Ausrüstung vom Konsortium eingezogen werden.
So nicht, ich bin Sheika Layla Al-Biruni von Dabaran – freie Erstsiedlerin und keine zenithische Konzernsklavin!
Ich lehnte also mit Hinweis auf diese inakzeptable Klausel nun auch das Angebot des Konsortiums ab, was bei
Sidonna und Konsorten Wutanfälle erzeugte. Das Konsortium ließ die Maske fallen und entblößte sein hässliches und abstoßendes Antlitz. Man belegte uns mit diversen Sanktionsmaßnahmen und gefälschten Vorwürfen, die ich aber alle anfechten werde. Zein hingegen kündigte sehr spontan bei uns, ihre wahre Loyalität liegt ganz offenbar nicht bei der Mannschaft, was ihre (hoffentlich) freie Wahl ist, die ich aber bedaure.
Viel entschlossener nach meiner eigenen richtigen Entscheidung mischte ich mich wieder unter die Menge. Ich selbst führte ein kurzes, aber leider wenig ertragreiches Gespräch mit Mandrago Ho persönlich der die Drakoniter im Konzil vertritt. Hier war aktuell keine Hilfe zu erwarten. Cassiopeia signalisierte derweil Sahdi unsere Offenheit für ihren noch etwas unbestimmten “Plan C”.
Trotz des doppelten Eklats hinter den Kulissen lief die Feier zunächst weiter wie von den Organisatoren geplant, denn die Zenithische Propaganda-Maschine war nun auf dem absoluten “Höhepunkt” der Zykladenfeier bereits vollkommen entfesselt. Wir wurden als Zenithische Helden vorgeführt und benutzt.
Doch als sie in ihrer Ansprache die Zenither als das “einzige Licht des Horizonts” bezeichneten, brach unter den Ehrengästen Murren und dann zunehmend Tumult aus, besonders als von der “rechtmäßigen Herrschaft der Zenither” fabuliert wurde, denn es waren auch viele Erstsiedler anwesend.
Es kommt gerade zu einem kolossalen Aufruhr. Die meisten anwesenden Zenither fliehen schnell mit ihren Soldaten und liefern uns dem Zorn der Masse aus. Nur meine Leibgarde schützt uns noch.
Layla Out.
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