Baumhausschnecke
Sophie lehnte an einer Eiche, als ein schmatzendes Blopp ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Mittlerweile waren Sophie die Baumhäuser in den Wäldern sehr bekannt. Doch nun sah sie eine Miniausführung, die an ein Spielzeug erinnerte. Sie betrachtete es aufmerksam und sah, wie es sich langsam wieder bewegte. Kleine Hörner krochen unter dem Häuschen hervor und starrten in Sophies riesige Augen. Bevor sich die Hörner wieder in der Schale verkriechen konnten, zog Sophie die Schnecke von der Rinde und setzte sie auf ihre Hand.Auszug aus dem Roman-
Baumhausschnecken sind keine sonderbare Laune der Natur, sondern entstanden aus einem missglückten Wachstumszauber einer jungen Druidin. Sie sind zweimal größer als gewöhnliche Weinbergschnecken und ihre Schalen nehmen die kuriosesten Baumhausformen an.
Im Überblick
Gewöhnlicher Name: Baumhausschnecke
Linie: Schnecken
Abstammung: keine, da magisch entstanden
Lebensraum: Wälder von Brictaelgis
Lebenserwartung: 10 bis 20 Jahre
Größe: 15 bis 20 cm lang, Häuschen 10 bis 15 cm
Gewicht: ca. 65 g
Geschwindigkeit: 15 m/h
Erscheinung: Körper ockerfarben, Schleimschicht abhängig vom bewohnten Baum, Häuschen abhängig von umbauter Umgebung
Nahrung: Pflanzenfasern, Pilze
Geschlechtssreife: mit einem Jahr
Nachkommen: 50 bis 60 Eier
Ihre Erschaffung
Während normale Schnecken bereits seit dem Zeitalter der Mythen und Schatten existieren, sind Baumhausschnecken mit etwa 7.900 Jahren eine jüngere Spezies. Die Geschichte über ihre Entstehung ist eine beliebte Legende unter Kobolden und wird ihnen bereits im Kleinkindalter erzählt.
Während der Mitte des 5. Jahrtausends lebte in den Wäldern des heutigen Taen Wotris die junge Koboldin Aella Grauborke, die bereits früh ihr Interesse an der Erdmagie entdeckt hatte. Zur damaligen Zeit gab es noch keinen Druidenzirkel und damit auch keine Regeln zur richtigen Anwendung, sodass ein jeder damit herumexperimentieren konnte. Aella hatte bereits reichlich Erfahrung mit Erd- und Steinmagie gesammelt und begann nun, die Wachstumsmagie zu studieren. Nach ersten leichten Übungen wie dem Ziehen von Gräsern und Blüten sowie verschiedenen Colorierungen für allerlei Pflanzen, wagte sie sich an kompliziertere Sprüche wie das Wachstum von Bäumen oder das Färben von Tierfellen. Doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nie etwas komplett Neues erschaffen. Bereits seit Kindertagen war sie von Schnecken fasziniert. Sie sammelte sie und bastelte kleine Terrarien, in denen sie die Schnecken als Haustiere hielt. Bis zum Erwachsenenalter entwickelte sich daraus ein kleiner Schneckentiergarten mit den unterschiedlichsten Arten. Sie studierte ihre Häuschen und zeichnete ihre Lebenszyklen auf. Einige Kobolde behaupteten sogar, Aella hätte mit ihnen gesprochen. Langsam reifte in ihr die Idee, eine neue wunderschöne Art zu erschaffen, die als schönste Schnecke von Brictaelgis in die Geschichte eingehen sollte. Doch an dem Tag als Aella den Zauber vollziehen wollte, braute sich ein heftiges Unwetter über den Wäldern zusammen und Lanis, der Gott der Stürme lies den Wind durch die Bäume sausen und heftige Gewitter niedergehen. Aella hatte zwar Angst um ihr Baumhäuschen, doch war sie auch ungeduldig und wollte nicht darauf warten, bis das Unwetter vorbei war. So sprach sie ihren Zauber und wiederholte mehrmals die Formel, die aus einer gewöhnlichen Weinbergschnecke eine neue Art machen sollte. Als sie kurz davor war, den Spruch ein drittes Mal zu wiederholen, wurde das Fenster durch einen Ast zerschlagen, der Wind pfiff hindurch und rosa Blüten - ein Symbol der Fruchhbarkeitsgöttin Brictissa - wirbelten durch das Zimmer. Aella erschrak sich dermaßen, dass sie sich versprach und anstatt Traumschnecke Baumschnecke murmelte. Doch es war zu spät. Der Zauber wirkte und so musste sie mit ansehen, wie die Schnecke langsam wuchs und sich ihr Häuschen in ein Baumhaus verwandelte. Aella versuchte alles, um die Schnecke wieder zurück zu verwandeln, aber es gelang ihr nicht, sodass sie die Schnecke behielt und in ihren Tiergarten setzte. Nach einer Weile lockte der Tiergarten neugierige Kinder an, die die Schnecke am liebsten mit nach Hause genommen hätten. Aella erkannte nun, dass sie doch eines der wunderbarsten Geschöpfe erschaffen hatte. Sie gestattete jedem Kind sich eine Schnecke aus ihrem Garten auszusuchen und verwandelte sie in Baumhausschnecken mit den unterschiedlichsten Häuschen, die sich von nun an auf Brictealgis vermehren konnten. Gleichzeitig verstand Aella aber auch, wieviel Macht sie besaß und das die Götter in Zauber eingreifen, wenn diese zu weit gehen. In den folgenden Jahren setzte sie deshalb alles daran, ihre Sprüche sorgsam aufzubewahren und sie entwickelte die ersten Regeln, um einen Missbrauch der Erdmagie zu verhindern. Viele dieser Regeln hielten Einzug in die Lehren des Druidenzirkels, weshalb Aella Grauborke zu einer der Urdruiden von Brictealgis gezählt wird.
Physiologie
Der ockerfarbene Körper der Schnecke kann bis zu 20 cm lang werden und ist von einer leicht schimmernden Schleimschicht umhüllt, die je nachdem auf welchem Baum sich die Schnecke befindet, unterschiedliche Farben annehmen kann. Die Häuschen werden zwischen bis zu 15 cm groß und ahmen die Baumhäuser ihrer Umgebung nach. Diese Mimikry-Effekte resultieren aus dem Zauber von Aella Grauborke, die laut ihren Tagebüchern ursprünglich eine Schnecke erschaffen wollte, die mit ihrer Umgebung verschmelzen kann.
Die Schnecke kann eine Geschwindigkeit von 15 m/h zurücklegen, wodurch sie dreimal so schnell ist, wie ihre gewöhnlichen Artgenossen.
Ihre vier Hörner des "Kopfes" dienen dem Riechen und Schmecken sowie dem Sehen. Kobolde fanden auch heraus, dass die hinteren Fühler auf Fluorenszenz reagieren.
Das Häuschen besteht aus einer porzellanähnlichen Kalkschicht. Die kaolin- und kalkhaltigen Elemente für den Aufbau nimmt die Schnecke über ihren Schleim vom Waldboden auf.
Fortpflanzung & Entwicklung
Baumhausschnecken pflanzen sich wie ihre gewöhnlichen Verwandten fort. Sie sind Zwitter, wodurch ein mehrstündiges Gleiten über eine andere Baumhausschnecke ausreicht, damit beide befruchtet werden.
Ihre Eier verscharren sie jedoch nicht im lockeren Boden, sondern sie werden etwa acht Wochen nach der Befruchtung unter leicht losen Baumrinden der Bäume abgelegt. Nach etwa 60 Tagen schlüpfen daraus Baumhausschnecken. Die Schnecken sind nach einem Jahr ausgewachsen und geschlechtsreif. Baumhausschnecken werden bei guter Pflege bis zu 20 Jahre alt.
Nahrung & Lebensweise
Baumhausschnecken fressen hauptsächlich abgestorbene Baumrinde und welke Blätter, die sie mit einer Raspelzunge abnagen.
Sie fressen aber auch sehr gern fluoriszierende Pilze, die hin und wieder an einigen Stämmen wachsen. Wenn sich Ende des brictaelgischen Sommers die Fruchtkörper bilden, sieht man häufig kleine Schneckenkolonien an diesen Plätzen. Da einige fluoriszierende Pilze zum Absterben der Bäume beitragen, sind die Schnecken gleichzeitig eine Art Baumpolizei, die den Tod der Bäume um Jahre hinauszögern.
Während des brictaelgischen Winters ziehen sich die Schnecken in die Wurzelregionen der Bäume zurück und vergraben sich unter den Blättern. Zusätzlich verschließen sie den Eingang mit einem kalkigen Schalendeckel, der wie eine geschnittene Baumscheibe aussieht.
Nutzung
Verlassene Häuschen und zurückgebliebene bzw. nach dem Winter abgeworfene Schalendeckel sind beliebte Sammelobjekte unter den Kobolden, um sie an Fäden aufzuhängen und für Mobile und Windspiele zu nutzen. Die Schalendeckel eignen sich auch sehr gut als Räucherwerk zur Förderung des Einschlafens. Sie duften nach Holz und Harzen des Waldes.
Koboldkinder legen mit den Häuschen kleine Gärten an, die ihren Puppen als Wohnstätten dienen. Lebende Schnecken werden wegen ihrer Schnelligkeit gern für Schneckenrennen eingesetzt.
Das Fleisch der Schnecke, dessen Geschmack und Konstistenz an sehr trockene und zähe Ente erinnert, ist eine Zutat für Eintöpfe. Da es aber sehr lang gekocht werden muss, wird es hauptsächlich in Notzeiten verwendet.
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