Dritter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Jarl Gimdus ließ heute keine Audienzen zu, es schien als würde ihn etwas beschäftigen. Ich werde ihn bei Gelegenheit fragen, warum er so ruhelos ist.
Der Jarl hat mich gebeten, persönlich die Felder und Bauernhöfe rund um Kaltenstrom zu begutachten und zu beurteilen, ob die Ernte vorankommt und ertragreich sein wird. Viel Verantwortung, die er mir dadurch aufgetragen hat, aber ich liebe das Landleben, denn da komme ich her. Kaltenstrom ist schön, keine Frage und nicht kalt, wie der Name sagt, sondern ein wunderbarer Ort, an dem sich ein großer Teil des Jorggender Volkes ein Zuhause geschaffen hat. Es ist nicht so traditionsreich wie unsere Hauptstadt Sorvenheim, aber es ist die Stadt, in der die Jorggender zum ersten Mal unabhängig wurden, ohne dass unsere Vorfahren, die Zwerge uns führten. Aber ich schweife ab, was ich aussagen wollte ist, dass ich mich freue, die weiten Felder zu sehen und vielleicht fällt auch der ein oder andere Apfel ab. Ich sehe es nicht als Bestechung, wenn die Bauern mir Fleisch, Äpfel oder andere Lebensmittel geben; dies haben sie auch nicht nötig da die Bauern sehr hart arbeiten und ihr Soll für das Volk eigentlich immer erfüllen. Ich sehe es viel mehr als wohlwollende Gabe für mich persönlich. Ich werde mich morgen sobald ich die Gewissheit habe, dass es dem Jarl gut geht, sofort auf den Weg zu den Bauernhöfen machen.
Heute hat mich eine beunruhigende Nachricht meines Vetters Elius erreicht, einem wichtigen Mitglied der Gamos Historia aus Jarmundshain, der seit mehreren Wochen zurück von seiner Reise mit dem Ballon sein sollte. Er wollte in den Süden, aber ein Holzfäller aus den südlichen Bergen von Sorvenheim schwor, dass er einen Ballon Richtung Osten fliegen sah. König Fahrulf wollte laut der Letzten Botschaft aus der Hauptstadt eine Gruppe Späher losschicken, um den Osten abzusuchen. Was mag ihn nur dorthin verschlagen haben? Dort ist doch nichts, außer … die Eisenküste. Und gerade dort soll es Gerüchten zu Folge wieder Leben geben, aber noch weiß man nicht was für welches. Ich hoffe Elius ist nicht in Gefahr, er wäre ein großer Verlust.
Vierter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Der Jarl war heute schon besserer Laune, dennoch habe ich ihn gefragt was ihn beschäftigt. Er hat nur abgewinkt und meinte, dass es mich nichts anginge was ihn beschäftige. Ich kenne ihn schon lange, auch wenn ich erst seit kurzem in seinen Diensten bin, bin ich noch immer sein Neffe und Familie hält zusammen, oder nicht? Vielleicht war es ein Fehler in seine Dienste zu treten, Familie sollte vielleicht nicht in einem solchen Verhältnis stehen, aber ich bin mit Stolz ein Berater von Gimdus Erdenblut. Ich mache mir Sorgen über das, was er mir nicht anvertraut.
Heute bin ich in das Umland von Kaltenstrom gereist. Auf dem Weg dorthin, habe ich einem Händler mit seinem Wagen geholfen. Ein Wagenrad war gebrochen, also habe ich mit angepackt.
Der Hof von Familie Grishammer war der erste, den ich besuchte. Der Bauer war anfangs sehr angespannt, aber das legte sich nach einer Weile.
Ich beobachtete, wie zwei seiner Söhne tuschelten und ich hatte das Gefühl es ginge um mich, da sie immer wieder zu mir rüber sahen. Der Hof aber war tadellos und wird eine gute Ernte einfahren. Ich spürte regelrecht, wie sich die Anspannung bei allen löste, als ich ihnen meine Beurteilung mitteilte. Zum Dank gaben sie mir einen Sack Getreide mit. Diesen habe ich zu meiner Frau in die Stadt bringen lassen, sie soll ein Teil für uns nehmen und den größeren Teil an die Armen und Hungernden in der Stadt verteilen.
Ich werde heute ein Bett von einem der Söhne des Hofes beziehen. Ich hoffe, dass alle so freundlich sein werden mir ein Bett zu überlassen, ich möchte nicht wie die Söhne jetzt im Stall auf Stroh schlafen.
Aus dem Osten wiederum gibt es nichts Neues.
Fünfter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Überall wo ich hin blicke Felder, Weizen, Kürbisse, Apfelbäume, Karotten, Möhren, Hopfen, selbst Blumenfelder wurden hier angelegt, für die Reicheren in Kaltenstrom. Nur sie können sich diese Blumen auch leisten. Es gibt sogar einen Händler der Turell, der hier Blumen kauft für den Adel der Turell. Dies scheint auch sehr lukrativ für ihn zu sein, sonst würde er sich der Gefahr nicht aussetzen, denn es ist gefährlich dieser Tage durch Faldoria zu reisen, nicht nur da der Waffenstillstand brüchig scheint. Vor einigen Wochen sah ich ihn auf dem Markt in Kaltenstrom und er hatte mehr Söldner angeheuert, die ihn beschützen, als sonst.
Ich bin weiter in den Süden gereist und habe der Mühle einen Besuch abgestattet. Der Müller dort war ein griesgrämiger Mann, der alte scheint gestorben zu sein. Dies ist wohl sein Sohn, aber aufgrund seiner Laune habe ich mir die Frage nach dem alten Müller verkniffen. Er beschwerte sich über alles, wie schlecht es ihm doch ginge, wie sehr er seinen Beruf hasse und was er alles machen würde, wenn er so reich wäre wie die Schnösel aus Kaltenstrom, so brummte er immer wieder. Ich habe nur schnell die Listen geschnappt, die der hiesige Müller über seine Arbeit machen muss und bin dann schnell weiter zum Bauernhof von Kilex Turff. Er ist erst seit wenigen Jahren hier, er kam aus der Hauptstadt mit seiner Frau nach Kaltenstrom, weil sein Onkel ihm den Hof vermacht hatte. Anfangs hatte er große Schwierigkeiten mit der Bewirtschaftung, aber heute erfüllt er immer sein Soll. Da ich erst spät abends den Hof erreichte, habe ich das Angebot von Kilex angenommen und bin nach einem leckeren Mahl, das seine Frau mir zubereitete, gleich in das Gästezimmer und werde morgen erst die Überprüfung durchführen. Während ich das Mahl zu mir nahm, sprachen wir über das Land und wie es sich verändert hat. Kilex erzählte davon, dass er manchmal nachts aus Süd-Osten, ein Grollen und Stöhnen höre. Ich überlege ob ich dem selbst nachgehen oder lieber jemanden schicken sollte.
Gerüchten zufolge sollen die Späher Teile des Ballons von Elius gefunden haben, wie ich vermutete soll es bei der Eisenküste sein. Ich hoffe weiterhin, dass dem Gamos Historia Mitglied nichts zu gestoßen ist.
Sechster Tag des zweiten Sommermonates 2743
Ich schlief sehr unruhig in dieser Nacht. Wie Kilex Turff es schon beschrieben hatte, hörte auch ich ein Grollen und Stöhnen. Ich machte mir Gedanken darüber, was das sein könnte und wie ich mit dieser Information weiter verfahren sollte. Sollte ich dem wirklich selbst nachgehen oder jemanden beauftragen?
Ich genoss ein ausgiebiges Frühstück bei den Turff’s bevor ich mich für die Beurteilung umsah. Ein schönes Fleckchen Erde besitzen sie hier, wobei ich ihnen nahe gelegt habe den künstlichen Flusslauf, der am Feld entlangführt, doch etwas zu erhöhen. Sollte es mal stark regnen würde er überlaufen und könnte die Ernte vernichten. Sie nahmen es zur Kenntnis, aber ich hatte das Gefühl sie würden es ignorieren. Meine Beurteilung fiel recht gut aus und sie bedankten sich.
Als ich den Hof verlassen wollte, kam mir ein Bote entgegen und gab mir völlig außer Atem eine Schriftrolle. Die Nachricht kam aus Jarmundshain von meinem Vetter. Er schrieb, dass östlich von Jarmundhain Geräusche zu vernehmen sind, die ihn beunruhigen und er bat mich dem auf den Grund zu gehen. Ich fragte mich immer mehr, woher die Geräusche kämen und vor allem, was sie verursache. Meine Neugier wuchs, aber erst einmal musste ich weiter in den Süden zum nächsten Hof.
Als ich am Hof ankam, war dieser verlassen. Es gab keine Anzeichen, wohin die Bewohner verschwunden waren. Ich suchte stundenlang im Haus, auf dem Hof, in den Wäldern, nichts. Am Abend entzündete ich ein Feuer im Haus, holte etwas aus der Speisekammer und machte mir etwas zu essen. Sollten die Bewohner je zurückkehren zahle ich es ihnen doppelt zurück. Ich hatte mich entschlossen, ich würde dem Jarl eine Botschaft schicken in dem ich ihm schreibe, dass ich nach Jarmundhain gehen werde und er jemand anderen für die weiteren Beurteilungen schicken solle. Ich legte die Beurteilungen, die ich bisher hatte dazu und würde sie morgen zu den Turff’s bringen, die die Botschaft weiterschicken sollen.
Ich denke ich werde heute sehr tief schlafen.
Siebter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Der Tag begann früh, mit dem Zurücklaufen zum Bauernhof der Turff’s. Ich gab ihnen den Brief und verdeutlichte ihnen mehrfach wie wichtig es sei, dass er so schnell wie möglich den Jarl erreiche. Mit dem Siegel, das ich auf dem Brief einbrannte, sollten sie ohne Probleme bis zum Jarl kommen. Kilex machte sich sofort auf den Weg, das erhöhte meine Hoffnung, dass der Brief schnell ankommen würde.
Den Pakrot Berg durch den Zwoordpass zu überqueren gestaltete sich ziemlich einfach, aber unten am Berg angekommen graute es mir, als ich einen verlassenen Handelskarren sah. Er war anscheinend angegriffen worden, denn ich sah Blut, das am Boden am Karren klebte. Mein Gefühl sagte mir, es sei besser, den Weg zu verlassen, aber meine Beine trugen mich in Richtung einer Ruine, wie ich nach einigen Schritten erkannte. Dort vernahm ich plötzlich Geräusche, ein Knirschen und Klappern. Ich wagte noch ein paar weitere Schritte, aber die Geräusche kamen immer näher und ich wollte nichts riskieren und gesund im Dorf ankommen. So nahm ich meine Beine in die Hand und eilte wieder zum Weg.
Erst jetzt bemerkte ich einen leicht süßlich-verkohlten Geruch in meiner Nase. Ich machte mich weiter auf den Weg, ich wollte dort nicht zu lange verweilen. Der Geruch blieb in meiner Nase, ich dachte er käme von dem Ort mit dem Handelskarren, aber er wurde immer intensiver. Man sollte dem nachgehen, überlegte ich, ging dann aber einen Schritt schneller, da ich noch vor Einbruch der Nacht in Jarmundshain sein wollte.
Noch bevor es richtig Nacht wurde, erreichte ich das Dorf. Es war wie leergefegt, keine Menschenseele war zu sehen. Das war ungewöhnlich, in Jarmundshain wurden immer bis in die späten Abendstunden die Krüge gehoben und gelacht. An jedem Tag. Als ich das Haus meines Vetters erreichte klopfte ich energisch an. Sie öffnete sich einen Spalt und mein Vetter Roksash schaute hindurch. Er machte die Tür sofort auf und versperrte sie schnell wieder als ich drin war. Keine Erklärung, nichts. Er bereitete mir wortlos ein Bett und legte sich nach einem weiteren Mal überprüfen, ob die Tür verschlossen war, selbst ins Bett. Ich erhoffe mir morgen mehr zu erfahren, nun werde ich erst einmal schlafen.
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