Achter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Ich war lange vor meinem Vetter Roksash wach und ging hinaus, um mich ein wenig zu bewegen und mich umzusehen. Der Ort hatte sich verändert. Einst waren die Jorgendder in diesem Dorf fröhlich und feierten sich und das Leben - jeden Tag. Was war passiert? Ich versuchte dem auf den Grund zu gehen. Die erste Person, mit der ich sprechen wollte schaute mich nur fragend an und sagte nichts. Die nächste mahnte an, ich solle verschwinden. Als ich so durch das Dorf ging, stand ich dann plötzlich vor einem Haus, das ich gut kannte. Sie lebt hier. Ich fasste den Mut, mich meiner Vergangenheit zu stellen und klopfte an die Tür. Als sich die Tür öffnete, begann ich ein leises Weinen zu hören. Dann sah ich einen Breitschultrigen Koloss vor mir. Es war ihr Bruder. Er musterte mich genau, bevor er mich wortlos hereinbat. Ich fragte ihn wer dort weinen würde. Er begann mir zu erklären, dass es seine Mutter war, die dort weinte. Denn Arula sei seit ein paar Tagen verschwunden. Sie war in den Wald gegangen, um ein paar Pilze zu suchen. Als sie nicht wiederkam, gingen er und sein Vater auf die Suche nach ihr. Sie trennten sich, um eine größere Fläche absuchen zu können. So geschah es, dass auch sein Vater verschwand. Ich war fassungslos, blieb aber ruhig und fragte ihn aus. Fragte, ob er wüsste, was passiert sei und wo sie hin sein könnten. Er schaute mich an und fragte, wie unwissend und dumm wir doch in Kaltenstrom seien. Er erzählte davon, dass wohl etwas bei den Magiern passiert sein müsse. Seit ein paar Tagen, seit dem Tag bevor Arula verschwand, war niemand mehr von den Magiern gekommen, um Lebensmittel von den Bauern hier zu holen. Es sei ständig ein Grollen zu hören. Vestrak, so war sein Name, konnte seine Mutter nicht allein lassen und zu den Magiern gehen. Er bat nun mich darum dies zu tun. Ich sagte, ich überlege mir was zu tun sei.
Als ich mich auf den Weg zurück zu meinem Vetter machte, war es schon sehr spät. Er sagte wieder kein Wort, als er mich reingelassen hatte. Ich muss etwas tun, dachte ich mir und überlege noch bis zum jetzigen Zeitpunkt was die richtige Handlungsweise ist. Morgen werde ich mehr wissen, denke ich.
Neunter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Als ich am Morgen in den Küchenbereich des Hauses kam, Sie standen auf Runen, die in einem Kreis, einem Zirkel, angeordnet waren. Ich war gespannt und forderte ihn auf alles zu erzählen was er noch wusste, drängte ihn viel mehr geradezu dazu. Er fuhr fort und erzählte davon, dass die Magier anfingen zu schweben. Ein grelles Licht begann in ihrer Mitte zu leuchten und aus dem Nichts formte sich etwas. Er beschrieb es als eine Art Rahmen. Als es anscheinend fertig geformt war, schwebte nur noch ein Magier und dieser murmelte weitere Worte. Er erinnerte sich an drei Worte, die er glaubte verstanden zu haben. „Orcasis ruduidu tur“ Mir waren diese Worte nicht bekannt. Er stockte dann und sagten ein paar Minuten nichts. Dann begann er weiter auszuführen. Er sprach mich wieder direkt an „Jasurk, Arula, ich… ich konnte nicht. Ich konnte ihr nicht helfen.“ Auf meine Frage was passiert sei antwortete er hektisch und ohne Details. Er sprach davon, dass es einen großen Knall gab und er aus Angst rannte, er rannte so schnell er konnte ins Dorf und hatte seitdem mit niemanden gesprochen.
Ich werde eine Kopie dieses Eintrages sofort in die Hauptstadt schicken und bereite mich vor…
Zehnter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Die Nacht war kurz. Da ich viel erledigen wollte, war ich wieder früh auf den Beinen. Ich begann damit einen Brief an den Jarl zu schreiben, in dem ich erklärte, dass ich einige Zeit nicht als sein Berater tätig sein könne. Den nächsten schrieb ich an meine Frau, ich habe mich gefühlte hundert Male für alles Mögliche entschuldigt. Mein letztes Schreiben, das ich anfertigte, war das längste und war an König Fahrulf gerichtet. Ich schrieb ihn direkt an. Auch wenn ich noch nicht wusste was hier wirklich passiert sei und ob es so gefährlich war wie ich es mir ausmalte, wollte ich kein Risiko eingehen und gleich die richtigen Stricke ziehen, sodass wir im Zweifelsfall keine Zeit verlieren würden. Ich erklärte die Situation, die mir mein Vetter Roksash geschildert hatte. Ich bekundete meine Sorge und erklärte, dass ich selbst mir den Ort des Geschehens anschauen würde. Ich bat außerdem darum, dass man der Gamos Historia eine Abschrift geben möge, zumindest von den drei Wörtern „Orcasis ruduidu Tur“, damit diese nach der Herkunft und Bedeutung suchen könnten. Ich versiegelte alle Schriftstücke mit dem Siegel des Beraters von Kaltenstrom, gab die drei Schriftstücke Roksash und bat, nein, ich befahl ihm vielmehr, Jarmundshain zu verlassen und die Schriftstücke bis nach Kaltenstrom zu bringen. Er soll den Brief an den König an die Boten des Jarl‘s geben und den Brief für den Jarl und den an meine Frau persönlich abgeben. Dann soll er meine Frau unterstützen. Mein Vetter packte seine Sachen und lief sofort los. Ich denke er war erleichtert und froh diesen Ort zu verlassen.
Ohne weitere Zeit zu verlieren suchte ich den Bürgermeister auf und erklärte ihm mein Vorhaben und bat um Unterstützung. Er sicherte mir nur Vorräte zu. Er könne niemanden zwingen mit mir zu gehen und Waffen habe er nicht, ich soll den Schmied fragen. Dies tat ich auch, ich nahm sein Schreiben, das mir Vorräte garantierte und ging zum Schmied. Dieser enttäuschte mich, gab mir aber den Hinweis, dass ich Gotried ansprechen solle, der früher Teil der Armee des Königs gewesen war. Er erklärte mir, wo ich ihn finden könne und ich machte mich auf den Weg…
Sein Haus war etwas abgelegen von Jarmundhain, am Ende des Sees im Osten. Zum Glück gab es einen kleinen Trampelpfad, der mich dort hinführte. Ich musste mehrfach klopfen, bevor ein Greis mir die Tür öffnete. Er kniff die Augen zusammen und sein weißer Bart reinigte schon den Boden, wenn er ging. Ich stellte mich vor und er bat mich herein. Er erzählte davon, dass ihn selten jemand besuchen komme und fragte mich noch ein paar Mal, wer ich sei. Gotried tat mir leid, allein und das in seinem Zustand. Wir setzten uns an seinen Tisch und er servierte einen Tee aus Schneedisteln. Nicht mein Lieblings Geschmack. Ich erzählte ihm von meinem Anliegen, dass ich ein Schwert und Rüstung bräuchte. Im Dorf konnte mir keiner damit helfen. Er begann wieder von früher zu erzählen. Erst beim dritten Mal antwortete er. Er fragte wofür ich es brauche. Nach meinen Erklärungen schüttelte er den Kopf. Er fragte mich „Warum möchtest du dich in diese Gefahr begeben?“ Ich dachte darüber nach, war es aus Pflichtbewusstsein gegenüber meinem Volk? War es der Drang nach Abenteuern? Oder war es die Liebe? Liebe? Ich habe eine Frau! Ich schüttelte mich, um diese Gedanken los zu werden und gab vor, es sei mein Pflichtbewusstsein. Er schaute mich an und lachte lauthals und sagte „Wenn du meinst.“ Dann sagte er mir, dass er seine Armeerüstung und sein Schwert versteckt hätte. Er wollte immer vergessen wo, aber er konnte es nie, sagte er. Er berührte mich an der Schulter und sagte mir. „Wenn du wirklich gewillt dazu bist, diese Aufgabe auf dich zu nehmen, gehe hinter diesem Haus zum Schrein von Liva. Dort habe ich alles versteckt.“ Ich konnte es kaum erwarten, ich bedankte mich, nahm noch den letzten Schluck vom Tee und lief hinter das Haus. Der Schrein war leicht zu finden, aber die Rüstung war es nicht. Ich suchte lange bis ich hinter dem Schrein etwas buddelte und die Rüstung und das Schwert eingewickelt in geöltem Tuch fand.
Es war spät am Abend, als ich im Haus meines Vetters ankam. Heute war ich den ersten Abend allein im Haus. Ich legte das Tuch mit der Armeerüstung auf den Tisch und begutachtete es. Ich hatte lange keine angelegt. Während mein Abendessen kochte, putze und polierte ich die Rüstung. Nach dem Essen legte ich sie an. Die Götter waren auf meiner Seite, sie passte sehr gut. Das Schwert aber musste ich schärfen. Das werde ich morgen machen.
Elfter Tag des zweiten Sommermonates 2743
Ich bereitete morgens ein paar Rationen Proviant vor, sodass es für mehrere Tage reichen würde und packte meinen Rucksack, mit allem was ich wohl brauchen würde. Ich legte die Rüstung nicht gleich an, sondern befestigte sie erst einmal am Rucksack. Erst als ich ihn auf den Rücken schnallte, merkte ich wie schwer er schon war, aber es fehlten ja noch ein paar Kleinigkeiten und ich setzte ihn erst einmal wieder ab. Das Fehlende besorgte ich mir im Dorf, beim Schmied wollte ich das Schwert schärfen lassen, aber er ließ mich links liegen und ich musste es selbst tun. Eine harte Arbeit. Auf dem Weg zurück zum Haus meines Vetters traf ich den Bürgermeister und bat ihn ein weiteres Mal um mehr Unterstützung, aber er wünschte mir nur viel Glück. Im Haus angekommen verstaute ich alles, schnallte mir den Rucksack auf den Rücken und hatte verlies das Haus. Als ich durch Jarmundhain ging, sah ich an den Fenstern wie die Bewohner mich anstarrten. Man sah ihre Angst in den Augen, aber ich hatte ein Ziel und ließ mich davon nicht abbringen. Kurz bevor ich das Dorf verließ, sah ich noch einmal zurück und sah in einem Fenster ein Kind winken und lachen. Dieser Anblick erfüllte mein Herz mit Wärme in dieser Kälte, denn es schien als hätte sich der Winter dieses Jahr eher in diese Gegend gewagt.
An der Kreuzung, die links nach Kaltenstrom führte, wählte ich den rechten Weg, der mich in den Wald führen würde. Es wäre kürzer gewesen, wenn ich direkt durch den Wald gegangen wäre, aber ich wollte erst einmal dem Weg folgen und kein Risiko eingehen. Die Brücke, die ich überqueren musste war in einem sehr schlechten Zustand und der Weg eher ein Trampelpfad. Hier schien selten jemand entlang zu gehen. Mir wurde immer unwohler, je tiefer ich in den Wald ging. Es wurde langsam dunkel und ich sammelte schon mal ein paar Zweige für ein Feuer und hielt nach einem Ort für ein Lager Ausschau. An einer alten Ruine machte ich Halt und stellte mein Feuer ein wenig abseits davon auf. Man weiß ja nie, was so eine Ruine alles anzieht.
Nun sitze ich hier am Feuer eingewickelt in meiner Decke und höre dem Treiben im nächtlichen Wald zu. Ich hoffe ich schlafe bald ein.
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