Die Heilige Hochzeit
"Gebe ihm eine erfolgreiche und ruhmreiche Regentschaft...
...Gewähre ihm die dauerhafte Krone mit strahlenden und noblem Diadem..." Auszug aus der Heiligen Hochzeit Ni 9602 (Nippur), Ur3-
Jährlich zum Neujahrsfest, welches im Frühjahr in Naharin stattfand, wurde zwischen dem Stadtfürsten und einer Hohepriesterin das Ritual der Heiligen Hochzeit vollzogen. Es symbolisierte nicht nur den Lebenszyklus, sondern sollte auch die Legitimität des Herrschers auf den Thron bestätigen.
Der Ursprung liegt in der Vermähling der Göttin Inanna mit dem Gott Dumuzi. Nachdem Dumuzi nicht um seine Gemahlin getrauert hatte, als Inanna bei ihrer Reise ins Reich der Toten umkam und wieder auferstand, wurde er bei ihrer Rückkehr von Dämonen in die Unterwelt entführt und musste fortan im Wechsel sechs Monate in der Unterwelt verbringen. Nach seiner Rückkehr konnten sich die beiden Götter erneut vereinen und das Land, welches vertrocknet und verdorrt war, blühte zu neuem Leben auf.
Der Glaube an und die Verehrung der Göttin Inanna war in ganz Mesopotamien so stark verbreitet, das ausgehend von der großen Stadt Uruk ab dem 2. Jahrtausend vor Christus jeder Herrscher den Bund mit der Göttin einging und sich in Inschriften als Gemahl der Inanna bezeichnete. Durch die Vereinigung wurde der Fürst zum Mittler zwischen den Göttern und den Sterblichen.
"... Als ein Hirte lass ihn die Schafe mehren
Unter seiner Regentschaft lass es reich an Pflanzenwachstum und Getreide sein..." Auszug aus der Heiligen Hochzeit Ni 9602 (Nippur), Ur3-
Eine Dienerin des Tempels von Inanna aus Uruk erzählt:
"Im Monat Nisannu feierten wir elf Tage lang das Fest des Gerstenschneidens "Akiti-šekinku". In der Nacht des 10. Tages, wenn weder Tag noch Nacht über den anderen herrschte, priesen wir die Hochzeit unserer Göttin Inanna mit ihrem Geliebten Dumuzi. An Inannas statt trat unsere Hohepriesterin. Unser Fürst verkörperte Dumuzi.
Bereits Tage vorher begannen Diener das Ritual im Palast und unserem Tempel vorzubereiten. Im Palast errichteten sie ein Lager und einen Thron. Köstliche Speisen und Getränke wurden für die sich an das Ritual anschließenden Feierlichkeiten mit Bankett zubereitet. In unserem Tempel Eanna wurden Opfer an unsere Göttin erbracht.
Wir badeten die Priesterin an diesem Tag in frischem Wasser des Buranun (sum. Euphrat), die mit frischer Gazellenmilch und duftenden Ölen versetzt war. Nach dem Bad reinigten wir ihre Haut, sodass sie seidenweich wurde. Unserer Priesterin wurden zwei Ketten aus kleinen und großen Lapislazuliperlen um Hals und Hüften gelegt, die durch eine weitere Kette zwischen ihrem Busen verbunden waren.
Wir kleideten sie in festliches Leinen, das mit feinen Mustern durchwirkt und mit goldenen Fransen bestickt war. Das schwarze wallende Haar wurde geflochten und mit goldenem Schmuck verziert. Die Augen wurden mit Kohle und Puder betont.
Nach der rituellen Reinigung empfingen wir den Bräutigam und die Brautführer an der Schwelle unseres Hauses Eanna. In einer kleinen Prozession durchschritten wir den Eingang bis ins Innerste unseres Tempels. Die Luft war mit dem Duft von Weihrauch und dem Rauch flackender Lichter geschwängert. Wir nahmen die Brautgeschenke, die aus Flachs, Milch, Käse und Gerste bestanden, entgegen."
"In der Mitte vor dem Altar standen zwei Statuen, die unsere heilige Göttin und ihren Geliebten symbolisierten. Unsere Priesterin und der Herrscher nahmen sich bei den Händen, schritten auf den Altar zu und stellten sich vor die Statuen. Dann hielten sie die Treueschwüre, die von Inanna und Dumuzi überliefert wurden.
Anschließend verließen wir den Tempel und zogen in den Palast des Herrschers. Das Brautpaar wurde von den Brautführern zu einem Lager begleitet, dass sich auf einem Podest befand und mit farbigen Stoffen und durchsichtigen Vorhängen umhüllt war.
Wir entkleideten das Brautpaar und nahmen unsere Plätze hinter dunklen Holzwänden ein, aus denen wundervolle Ornamente herausgeschnitzt waren. Während festliche Reigen ertönten, die Gäste die Speisen und Getränke genossen, wurde von unserer Priesterin und dem Fürst das Ritual beendet."
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