Blut im Nebel

Der Angriff geschah so plötzlich, dass Vania nicht darauf reagieren konnte. Der Händler, welche vorne auf der Kutsche saß und sie dankbarer Weise einen Teil der Streckte mitgenommen hatte, wurde zur Seite geschleudert. Scheinbar ergriffen von einer unsichtbaren Kraft, flog er mehrere Meter durch die Luft und schlug krachend in einer Eiche am Wegesrand ein. Der Einschlag brach sein Genick und ließ seinen Hals in einer unnatürlich verdrehten Position zurück. Langsam rutschte er zu Boden und hinterließ eine Spur aus Blut entlang der braunen Rinde des Baums.

Vania wirbelte herum, riss den Dolch von ihrer Seite und machte sich bereit wenigstens die kleine Tochter des freundlichen Mannes zu behüten, doch auch bei ihr kam sie zu langsam. Das Mädchen schwebte wenige Meter hinter dem noch kullernden Karren, ihre Arme zu den Seiten ausgestreckt, gehalten von Fängen aus Nebel, die sich um sie verdichtet hatten. Vania kam kaum dazu ihre eigene Lebensenergie in ihrer freien Hand zu bündeln und sich für einen Angriff bereit zu machen als der gebrechliche Körper des Mädchens sich nach vorne wölbte.

Der gleiche Nebel, der auch ihre Arme hielt, fokussierte ihre Beine, wodurch ihr Brustkorb durch die von hinten kommende Kraft nach vorne drängte. Vania entlud die Lebensenergie in einem Anflug von Verzweiflung ohne ein Ziel erkennen zu können. Wirkungslos durchdrang das grüne Geschoss den formlosen Nebel. Die Lippen der jungen Frau formten einen Schrei, eine Aufforderung aufzuhören, unterbrochen vom Laut brechender Knochen und einem matschigen Geräusch als ein Speer aus verdichtetem Nebel von hinten den Leib des Mädchens durchbohrte.

Sie war augenblicklich tot. Vania sackte in sich zusammen, schlug auf ihren Knien auf. Der Karren unter ihr, mittlerweile erstarrt auf Wegesrand, knackte und ihrem niederschmetternden Gewicht. Ein leises Klirren ertönte direkt vor ihr und zwang ihren Blick hinab. Auf dem hölzernen Wagen war die Kette des Mädchens gelandet, durch den Speer von ihrem Hals losgerissen. Das Zeichen der Göttin, derart von Blut getränkt, dass nur an einzelnen Stellen noch die goldene Färbung zu erkennen war.

Die Nebelhäupter entstanden aus den Worten und Schriften von Grigoros Rasquetall lehnen jedewede religiöse Bewegung auf Uras ab. Diese Ablehnung äußern sich in all ihren Praktiken, am allermeisten jedoch bei jener, welche als "Blut im Nebel" bezeichnet wird.

Blut im Nebel

Eine Menge Rituale und Traditionen der Nebelhäupter basiert auf der Vernichtung von Abbildungen anderer Götter oder der Zerstörung von heiligen Orten anderer Glaubensrichtungen. Ihre brutalste Tradition allerdings liegt in dem, was sie Reisenden antun, wenn sie sich vom Nebel dazu beschworen fühlen. In den windschwachen und vom Nebel geplagten Morgenstunden testen die Nebelhäupter den Glauben ihrer Opfer.

Hierfür wählen sie jene aus, welche offen die Symbole und Zeichen ihrer Götter tragen. Gewissermaßen als Demonstration der leibhaftigen Unterstützung durch den Nebel selbst und die apathische Abwesenheit jener Götter, die ihre Opfer anbeten, richten sie diese gläubigen Schäfchen hin. Oftmals zeigen sich die Anwender nicht selbst, sondern nutzen den Nebel als Waffe. Mit diesem durchbohren sie ihre Opfer, reißen sie in Fetzen oder erdrosseln sie.

Der Mord selbst ist hierbei jedoch noch der gnädigste Teil dieses Prozesses. Haben die Opfer ihr Leben erst einmal ausgehaucht, kriecht der Nebel in den Körper des Ziels und bläht diesen auf, bis er schließlich in einem blutigen Regen explodiert. Der Nebel um den Körper herum tränkt sich in dieses Blut und der gesamte Nebel in der Umgebung färbt sich rot. Schließlich entsteht ein kniehoher Blutnebel, welcher als Mahnmal für alle weiteren Reisenden fungiert und als geweihter Ort für die Riten der Nebelhäupter.

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