Namensgebung des Antraitischen

"Ich dachte man schreibt dich K-I-L-I-A-N.", mischte sich Nathan in das Gespräch zwischen seinen neuen Begleitern ein und warf einen intensiven Blick auf den jüngeren der beiden. Killian mühte sich weiter mit dem Gehäuse seines Zelts und den Stangen ab, die er verzweifelt versuchte soweit zusammenzuklappen, dass sie zur Not aus seinem Rucksack herausragen würden. Keras dagegen saß gemütlich am Rand ihres platt getretenen Lagerplatzes. Der ältere Mann, genau wie Nathan, beobachtete Killian bei seinen verzweifelten Versuchen und schien sich mehr als nur ein wenig darüber zu amüsieren. Trotz den jüngsten Geschehnissen wirkte er erstaunlich gut gelaunt, beinahe als wäre eine Last von ihm abgefallen.

"Nein, zwei L", erwiderte Killian, nachdem er einer zurückklappenden Zeltstange ausgewichen war, die ohne Frage Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen hätte, "In Harmos ist es eine Art Tradition."
"Hmm, das hab ich schon mal gehört", kam es von Keras, der, zu Nathans Missvergnügen, dabei war mit einem magisch gesteuerten Faden aus Schatten zu spielen, "Ist das aber nicht eher etwas, das die wichtigten Familien bei euch praktizieren?"
Die beiden tauschten einen langen Blick aus. Beide offensichtlich darin begriffen, den andern einzuschätzen, wie sie es seit ihrem Kennenlernen getan hatten. Nathans Blick wanderte unterdes wie bei einem Spiel von einem zu anderen, bis Killian die Stille brach und ein kurzes, künstliches Lachen ausstieß.

"Reden wir nicht drüber, aber meine Familie hat eine gewisse Relevanz in Harmos. Würden meine Eltern noch leben, dürften sie sich auch wirklich einiges dafür anhören, mich so genannt zu haben.", antworte er schließlich. Die folgende Stille schien beinahe zwischen den Bäumen zu verhallen. Selbst Nathans kurzes Räuspern brach die Stille auf die unangenehmste Art.

"Verzeihung, ich wusste nicht..."
"Konntest du ja auch nicht."

Innerhalb des Antraitschen finden sich zwei verschiedene Möglichkeiten zur Benennung, sowohl von einzelnen Personen als auch von Titeln und Rängen.

Inhaltsverzeichnis

Klassische Namensgebung

Übersetzt man das klassische Antraitisch in die moderne, gemeine Zunge, so ergibt sich daraus, dass jedes Schriftzeichen des Antraitischen mittlerweile zwei zusammengehörigen Buchstaben entspricht. Was heutzutage also als Kombination aus den Buchstaben H und I bekannt ist, entspricht einem verworrenen Symbol. Alle antraitischen Wörtern bestehen aus derartigen Symbolen, die wiederum aus jeweils einem Konsonanten und einem Vokal bestehen. Daher ergibt sich, dass antraitische Worte stets, wenn man sie ins Moderne übersetzt, aus einer geraden Anzahl an Buchstaben bestehen.

Abgeleitet von dieser Bezeichnung antraitischer Worte, entwickelte sich damals das Konzept, Namen mit einem zusätzlichen Laut auszustatten. So wurde aus Bezeichnung wie dem Wort Yona, also Schrei der Name des Namenlosen Yogna. Dieser Laut war allerdings nicht festgelegt, sondern konnte lediglich als Konsonant oder Vokal gesehen werden. Yogna besteht also aus den drei Symbolen für Yo - dem freien Konsonanten - na. Folglich kann Yogna auch als Yobna, Yocna, Yowna und so weiter benannt werden.

Dies war in den Reihen der Antraiten allerdings nicht zur generellen Benennung ihres eigenen Volkes gedacht, sondern stattdessen, um eine Form der Fremdartigkeit auszudrücken. Indem ein bekanntes Element genommen und durch ein unklares Element erweitert wurde, ergab sich der Name von etwas Fremdartigem, was den Antraiten nicht wirklich ersichtlich war.

Moderne Namensgebung

In den Reihen der Kirche des Lichts des Lichts des fünften Zeitalters wurde das Antraitische eine lange Zeit studiert. An vielen Stellen wurde das Antraitische auch vollkommen in ihren Sprachgebraucht integriert. So ist das Wort Ame, der Titel der Göttin, nichts anderes als das antraitische Wort für Mutter, gleichermaßen wie Mahia, das Wort für Tochter ist.

Innerhalb dieser Studien des Antraitischen entwickelte sich in Harmos' höheren Kreisen eine Tendenz die Namen der eigenen Kinder um zusätzliche Vokale oder Konsonanten zu ergänzen, in Anspielung auf die Benennung des klassischen Antraitisch. Hierbei war das Konzept der xenophobisch geprägten Namensgebung zwar bewusst, wurde jedoch in ein positiveres Gegenteil verkehrt, um das unbekannte Potenzial und die gestaltbare Zukunft der Kinder zur Schau zu stellen.


Cover image: by Midjourney

Kommentare

Please Login in order to comment!