Das Friedensmahl von Dresden

Am 1. Juni wurde im wie durch ein Wunder kaum zerstörten Dresdener Schloss ein Festmahl für die belgischen, britischen, dänischen, französichen, niederländischen, polnischen, sowjetischen und tschechischen Sieger in Anwesenheit dreier Delegationen aus Mexiko, Kolumbien und Japan abgehalten, das das Ende des Krieges in Europa feiern sollte.
Während das künstlerische Begleitprogramm vom österreichischen Burgschauspieler Josef Meinrad gestaltet wurde, oblag die Gestaltung des Menüs dem italienisch-konföderierten Chefkoch Massimiliano Mugnaio-Textaste.
Die elf Gänge und elf Musikstücke dauerten insgesamt opulente sechs Stunden, die allerdings durch die charmante Moderation Josef Meinrads - immer auf französisch, englisch und russisch - kurzweilig und für alle Eingeladenen denkwürdig war.

Zusammenfassung

Die Idee des Friedensmahles entsprang der kollektiven Erinnerung an das Abschlussessen beim Wiener Kongress 1815. Elf Gänge sollten die elf geladenen Gastnationen repräsentieren, bester Champagner aus Frankreich, würziges Bier aus Belgien und herrlicher Schnaps aus Tschechien rundeten das Angebot von dänischem Met und polnischem Wein ab, das zum Essen gereicht wurde.

Historische Grundlage

Der Festsaal des Schlosses wurde mit Tapisserien aus Wiesbaden dekoriert, die die vier Jahreszeiten darstellten. Damit sollte ein gewisser friedlicher Grundrahmen geschaffen werden, in den hinein sich dann alle zukünftigen Überlegungen zu Blüte, Wachstum, Ernte und Winterruhe entfalten würden.
Das Menü wurde von einem Musikprogram begleitet, das jeweils in den Pausen dargeboten wurde und die geladenen Gäste in ihren nationalen Musiktraditionen wertschätzte.
Vorspeisen
Kaviar mit Blinis, begleitet von Crème fraîche und gehackten roten Zwiebeln.
Consommé Royale mit Petersilfrittaten.
Zwischengang
Geflügelleberpastete: Serviert mit Toast und einem Hauch von Preiselbeermarmelade.
Fisch
Gedämpfte Seezunge in Weißweinsauce mit Spargelspitzen und Sepiacornetti.
Sorbet
Quittensorbet: Zum Neutralisieren des Gaumens, serviert in einem kleinen Glas.
Hauptgänge
Canard a limette mit Pommes duchesse und Rotkraut.
Geschmortes Kalbskotelett mit Morchelsauce, geleitet von glasierten Karotten und Reistürmchen.
Salat
Walderdorfsalat: Ein frischer Salat aus Äpfeln, Gurken, Sellerie, Waldbeeren und Melonenstücken, angemacht mit Mayonnaise.
Käse
Käseplatte: Eine Auswahl an Camembert, Roquefort und Emmentaler, serviert mit Trauben und Grissini.
Dessert
Charlotte Russe: Ein klassisches Dessert aus einer Biskuitbasis, gefüllt mit einer leichten Schlagobers- und Fruchtmischung.
Nachspeise
Petit Fours und Kaffee: Kleine, kunstvoll verzierte Pralinen, begleitet von frisch gebrühtem, osmanischem Kaffee.

Verbreitung

Böse, spätnationalsozialistische Propagandisten behaupteten, dass bei dem Gelage Menschenfleisch gegessen worden wäre von hingerichteten Kriegsgefangenen. Außerdem soll für die Medizin wertvoller Desinfektionsalkohol verschwenderisch zum Waschen des Geschirrs missbraucht worden sein.
Ein US-amerikanisches Gerücht besagt, dass Massimiliano Mugnaio-Textaste in Wirklichkeit ein Unionist wäre, der nur durch Zufall und rohe Gewalt zur Föderation abgezogen worden sei.
Die Wiesbadener archäologische Quartalschrift verbreitete das Gerücht, das unzivilisierte Gäste sich die fettigen Hände an den barocken Tapisserien abgewischt hätten.

Varianten & Abwandlungen

In einer japanischen Wochenschau wurde das Mal als europäischer Tribut an das Japanische Kaiserreich gedeutet.
Eine osmanische Zeitung brachte der Bilder der opulenten Speisen und zählte alle Verstöße gegen islamische Speisevorschriften auf.

Kulturelle Wahrnehmung

Bis heute gilt das Friedensmahl als geradezu mythisch verklärter letzter gemeinsamer Akt der Aliierten, bevor es zu internen Meinungsverschiedenheiten und Rivalitäten kam. Deshalb bieten Friedensaktivistinnen regelmäßig vom Koch handsignierte Speisekarten an, wenn sie gegen Aufrüstung und Kriegsgefahr demonstrieren.

In der Kunst

Es gibt eine offizielle Photoserie der elf Gänge, die aber schon im Vorfeld angefertigt wurde, um eventuelle Gegenstimmen der Gäste erfragen zu können.
Die Tapisserien des Festsaales stammten aus dem hessischen Nationalmuseum in Wiesbaden, das Geschirr aus verschiedenen Schlössern des besetzten Deutschland.
Die Kostüme der elf Musikeinlagen wurden im Anschluss an die jeweilige Delegation als kostbares Geschenk weitergegeben.
Die eigens angefertigten Serviettenringe aus Silber mit den Wappen der Friedensmächte verblieben bei ihren Benutzern.
Das ist die Reihe der aufgeführten Musikstücke:
Belgien
César Franck - Klavierquintett in F moll (1879), ein emotionales und kraftvolles Werk, das Franck in einer schwierigen Phase seines Lebens komponierte.
Vereinigtes Königreich
Edward Elgar - Klavierquintett in A moll, Op. 84 (1919), ein melancholisches und eindrucksvolles Stück, das Elgar während des Ersten Weltkriegs komponierte.
Dänemark
Carl Nielsen - Bläserquintett, Op. 43 (1922), ein charmantes und humorvolles Werk, das die individuelle Persönlichkeit jedes Instruments hervorhebt.
Frankreich
Maurice Ravel - Streichquartett in F Dur (1903), ein impressionistisches Meisterwerk, das die Farben und Texturen der französischen Musik um 1900 einfängt.
Niederlande
Willem Pijper - Streichquartett No. 1 (1914), ein avantgardistisches Werk, das die Fortschrittlichkeit der niederländischen Musikszene widerspiegelt.
Polen
Karol Szymanowski - Streichquartett No. 1 in C Dur, Op. 37 (1917), ein emotional aufgeladenes Werk, das die reiche polnische Musikkultur repräsentiert.
Sowjetunion
Dmitri Shostakovich - Streichquartett No. 8 in C moll, Op. 110 (1940), ein tiefgründiges und bewegendes Werk, das Shostakovichs persönliche und politische Kämpfe widerspiegelt.
Tschechien
Leoš Janáček - Streichquartett No. 1 "Kreutzer Sonata" (1923), ein dramatisches und leidenschaftliches Stück, inspiriert von Tolstois gleichnamiger Novelle.
Mexiko
Manuel Ponce - Streichquartett (1936), ein farbenfrohes und rhythmisch lebhaftes Werk, das die mexikanische Volksmusiktradition integriert.
Kolumbien
Luis Antonio Calvo - Romanza en fa mayor (1930er), ein lyrisches und elegantes Stück, das die melodische Schönheit der kolumbianischen Musiktradition einfängt.
Japan
Kosaku Yamada - String Quartet in A minor (1920), traditionellen japanische Elemente verbinden sich im Streichquartett in A-moll mit französichen Musikverpflichtungen.
Besonderer Dank an die Inspiration von Tasting history with Max Miller:
Datum der ersten Erwähnung
2. Juni 1945
Datum der Ereignisse
1. Juni 1945


Cover image: by Racussa mit DALLE

Kommentare

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Aug 18, 2024 11:06 by Secere Laetes

Wahnsinn, was für einen Aufwand du einmal mehr für deinen Artikel betrieben hast. Ich meine, wenn ich es richtig nachsah existierten etwa alle Künstler, das heißt, du hast sie dafür ja extra rausgesucht. Und dann die einzelnen Gerichte und die unterschiedlichen Ideen, abgerundet von natürlich bösartiger Propaganda (das mit den beschmutzten Wandteppichen kann ich mir aber vorstellen). Mein Respekt.

Aug 18, 2024 13:28 by Racussa

Hier kann ich wirklich nur auf Max Miller und sein Tasting History verweisen, ein herrlicher youtube-Kanal. Ich liebe Essen; und bei den Musikstücken habe ich mich einfach ein bisschen durchs Internet gegraben und dann die Stückchen auch hineingehört. Und Josef Meinrad gefällt mir in seiner leicht überkomplizierten Art und perfekten Aussprache (außerdem spielt er im österreichischen Science Fiction Film 1. April 2000 unseren 'Ministerpräsidenten', der die Vereinten Nationen/Globalunion m it Essen und (viel) Wein diplomatisch überzeugt. Ja, echte Wandteppiche und unzivilisierte Sieger ist bei der Menge an Alkohol echt eine gefährliche Mischung.

The world is not enough.
Aug 18, 2024 22:44 by Secere Laetes

Hm, du erzählst hier locker, flockig, was du getan hast und ich denk mir nur "wow, das ist Arbeit und kostet echt viel Zeit". Immerhin hast du etwa in die Stücke rein gehört, das dauert ja auch noch mal. Essen, tja, das kann ich gut verstehen, habe da auch einiges, auch zu mittelalterlichen Essen und co. Trotzdem, nicht klein reden, was du getan hast, du hast einiges dafür getan, damit der Artikel jetzt so ist, wie er ist und das würdige ich eben.

Aug 19, 2024 08:38 by Racussa

Danke!

The world is not enough.