Wie alles anfing by Ishtarion | World Anvil

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14. Tag des 10. Mondes, 8277 Drachenzeit

Wie alles anfing

by Magus Ishtarion Wisterios Schwarzschwert

“Wer bin ich? Ah, was für eine Frage – ich wurde selbst in meinem kurzen Leben so vieles genannt. Eine Enttäuschung, ein schwarzes Schaf, eine Gefahr, ein Schwächling… auch positive Dinge, aber nie von meiner Familie. Das ehrenhafte Haus Schwarzschwert, Jahrhunderte von Kriegertradition, Wächter des… Schwarzen Schwertes. Ja, nicht sehr kreativ, aber Familiennamen sind das meistens nicht. Wie hätten meine Ahnen sich nennen sollen, Müller?
 
Ich wurde jedenfalls vor 17 Jahren in der Feste Schwarzschwert als siebter Sohn meiner Mutter zur Welt gebracht. Meine Geschwister, Onkel, Tanten und Großeltern tun hier wenig zur Sache – sie waren und sind nicht die nettesten Menschen, insbesondere nicht, wenn man anscheinend als einziges Mitglied der Familie in Generationen nicht nur kein Talent mit dem Schwert, sondern kein Talent mit irgendwelchen Waffen zu haben scheint. Ich möchte nicht zählen, wie häufig mich mein Vater in der Tarnung eines Trainings blutig geschlagen hat, wie oft meine Brüder mich im besten Fall mitleidig belächelt und im schlimmsten Fall bei meinem Training ‘geholfen’ haben. Das Schicksal eines Schwächlings, dachte ich. Aber dann kam alles anders.
 
Wenn ich hier sage, das Haus Schwarzschwert blickt auf Jahrhunderte der Tradition zurück, dann muss man sich immer vor Augen führen, dass ich wenn überhaupt untertreibe – wir führen unsere Linie auf Dakkon Schwarzschwert zurück, einen legendären Krieger aus einer Zeit, als Geschichtsaufzeichnungen mehr der Rauschtraum weiser Männer war denn tatsächliche Wahrheit. Das Blut der Alten ist stark in uns – meine Großmutter feierte gerade vor ein Paar Jahren ihren 300. Geburtstag.
 
Ich war also nur begrenzt überrascht, als ich in den Tiefen der Feste über eine verborgene und scheinbar vergessene Bibliothek – wirklich nur eine Sammlung von ein paar Dutzend alten Folianten und Schriftrollen – in einem geheimen Raum stolperte, als ich mich gerade wieder vor einer ‘Trainingssitzung’ drückte. Ich hatte eh nichts besseres zu tun bis sich der Zorn meines Vaters legte, und so begann ich, im Kerzenlicht zu lesen. Die Bücher waren fantastisch – Geschichtsaufzeichnungen, zwei Tagebücher und Wissen, so viel Wissen über ein Thema, das in unserer Familie eher Tabu ist: Angewandte formalisierte Magie. Nicht die alltägliche Magie, die sich durch unser aller Leben zieht, sondern glühende Zirkel, zilisierte Runen, Rituale. Die Bücher waren für meinen jungen Kopf weit zu fortgeschritten, aber sie faszinierten mich und erweckten in mir einen Hunger nach mehr als den erstickenden dunklen Mauern unseres herrschaftlichen Hauses.
 
Mit viel Gebettel und nach noch einigen erniedrigenden ‘Trainingsstunden’ stimmte mein Vater zu, dass ich ihm zumindest in der Akademie der arkanen Künste nicht mehr unter die Augen kommen müsste und so wurde ich entsandt, Magie zu studieren. Als ich mit acht Jahren die Tore meines Geburtshauses hinter mir lies, plante ich, nie zurückzukehren.
 
In der Akademie offenbarte sich, dass ich nicht nur Interesse, sondern auch ungemeines Talent besaß – Vorgänge und Formeln verstand ich in Tagen, für die andere Studenten Monate oder gar Jahre brauchten. Aber anders als in meiner Familie brachte mir dies nicht den Zorn der anderen ein, sondern Lob und Anerkennung! Zum Glück konnte ich diese Entwicklung vor meiner Familie verbergen, denn ich bin mir sicher, sie hätten mich von der Akademie genommen, wenn sie gewusst hätten, wie schön meine Zeit dort war.
Die Akademie war zauberhaft – sowohl wortwörtlich als auch in dem, was sonst geschah. Es gab einige Geister auf dem Campus, einer unserer Lehrer war ein beschworener Imp – und eines unserer Seminare fand in einer seltsamen illusorischen Halbwelt statt. Als ich elf Jahre alt wurde, traf ich während ich in meiner Freizeit die Akademie erkundete einen besonderen Geist – der auch später zu meinem Führer und Mentor werden sollte. Ormeus Tiberais Astanabar war nicht wie die anderen Geister und wurde so von diesen gemieden – eine Eigenschaft, die ihn mir sofort sympathisch machte. Er war immer umgeben von einem goldenen Schein und erzählte mir Geschichten und Lektionen, die er in seiner Zeit als Magier und Kartograph gelernt hatte.
 
Er zeigte mir auch die Ruinen unter der Akademie, die Ruinen der alten Akademie, auf denen die neue Akademie gebaut wurde. Dank ihm fand ich jenen Stein in den Tiefen, aber ich war… vielleicht rückblickend etwas weniger vorsichtig, als ich hätte sein sollen. Der Stein zerbrach nicht, nein – er explodierte, mit mir direkt davor! Ein stechender Schmerz durchzog mich, und als ich wieder wach wurde, schwebte ein besorgt aussehender Ormeus über mir, von einem purpurnen Glühen erhellt, das aus meiner Brust zu kommen schien.
Ein Splitter des kristallinen Artefakts – der Rest völlig zerstört und brach liegend – hatte sich in mein Herz gebohrt und wider allen Erwartungen schlug es nicht nur weiter, nein – meine Magie war stärker denn je! Marduk lächelt wahrlich, wenn ich mit Magie arbeite.
Ich verbarg das ganze selbstverständlich – ich war trotz meines Naturtalents bereits als Hitzkopf und als unvorsichtig bekannt, es gab keinen Grund, meine Lehrer mit solchen Details zu belasten. Sie freuten sich hingegen, als meine Zauber noch mächtiger wurden und ich ein neues Interesse für magische Gegenstände, Konstrukte und Artefakte aller Art entwickelte. Meine sich abdunkelnde Haut war leicht durch häufigere Arbeit in den Außenbereichen der Akademie erklärt, meinen langsam weiß werdenden Haaransatz, nun, den verbarg ich mit etwas Henna. Zudem war es ja nicht so ungewöhnlich, dass Magier durch ihre zunehmende Macht auch körperliche Veränderungen durchmachten und sowieso ist nicht gesagt, dass das ganze wirklich an dem Machtstein in meiner Brust liegt.
Nach nur 9 Jahren in der Akademie war meine Lehrzeit vorerst zu Ende. Sie sahen mich als fortgeschritten genug, mich als Magier graduieren zu lassen – aber als zu jung, um mich zu den fortgeschrittenen Kursen zuzulassen. ‘Zu jung!’ sagen die einen, ‘Verantwortung müsse ich lernen’ die anderen. Pah! Wenn sich eine Tür schließt, öffnet Marduk mir eine andere, sage ich. Ormeus hatte jüngst begonnen mir zu erzählen, dass die Kartografen bereits lange an einem mächtigen Artefakt forschten und Gerüchten zufolge hatten sie erfolgreich einige ihrer Mitglieder tatsächlich in eine andere Welt geschickt. Eine andere Welt, das bedeutet neues Wissen, weniger Grenzen – und es ist so weit weg von meiner Familie, wie man wohl nur sein könnte.
 
Gesagt, getan: Einen Platz als Scholar in der Gilde war tatsächlich erstaunlich leicht zu ergattern und mit der Hilfe meines Mentors fand ich bereits am ersten Abend in einem unbeobachteten Moment die geheimen Wege und Pfade zu dem Artefakt, dass den Weltenwechsel möglich machte. Als ich die Kammer betrat, begann ein seltsames Summen in meiner Brust und die – Kugel? – begann leise zu klingen, fast wie ein vibrierendes Weinglas. Das Summen war nicht unangenehm, also näherte ich mich der Kugel weiter, die zu glühen und vibrieren begann und fast aus ihrer Halterung zu springen drohte.
 
Ich gebe ja zu, manchmal verliere ich wenn mich etwas fasziniert etwas die Umgebung aus dem Blick – aber ich schwöre, dass diese Kartographin wie aus dem nichts hinter mir erschien, als sie meine Schulter griff und wissen wollte, was ich hier täte. Ich war verständlicherweise zu Tode erschrocken und habe dabei vielleicht die Kugel von ihrem Podest gestoßen – oder sie ist von selbst runtervibriert, ich weiß es nicht. Mit katzengleichen Reflexen griff ich also die Kugel, damit sie nicht am Boden zerschellt… was wohl mein zweiter Fehler an diesem Abend war. Eine goldene Lichtexplosion hüllte mich und die Kartografin ein und jetzt… jetzt sind wir hier – wo auch immer dieses mardukverdammte Haus irgendwo im Nirgendwo ist."

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  1. Wie alles anfing
    14. Tag des 10. Mondes, 8277 Drachenzeit
  2. Fern der Heimat
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