Quecksilberflut Physical / Metaphysical Law in 1957 | World Anvil

Quecksilberflut

In dem Chemiekombinat Alexander Frumkin in der unmittelbaren Nähe von Lemberg wurden einerseits schwefelhaltige Düngemittel synthetisch hergestellt. Andererseits diente ein Abschnitt des Kombinats der Herstellung von Chlorgas und Natronlauge durch quecksilberkatalysierte Elektrolyse. Für diesen Prozess wurden große Mengen Quecksilber in speziell beschichteten Keramiktanks aufbewahrt, um in starken Sommern Hitzeveränderungen an metallischen Tanks zu umgehen. Das Quecksilber konnte mit einem der modernsten Rohrsysteme der Welt zu allen einzelnen Produktionsstätten geführt werden. Eine das ganze Kombinat unterlaufende Betonwanne sollte Kontaminationen des 200 m unterhalb vorbeifließenden Flusses Poltwa verhindern (umgekehrt wurde der Fluss als stete Quelle von notwendigem Kühl- oder Löschwasser gesehen). Im Rahmen der unglücklichen Ereignisse während der Trippelbelagerung von Lemberg/Lwiw/Lwów/Lwow von 1. Juli bis 15. August 1955 kam es zu der größten Chemiekatastrophe der bisherigen Menschheitsgeschichte, deren Auswirkungen das Umfeld Lembergs bis heute prägen.

Erscheinungsform

Als drei unabsichtlich fehlgeleitete Leuchtraketen, die die neue österreichische Garnison als Feuerwerksersatz begrüßen sollten, auf dem Chemiewerk niedergingen und einen Lagerschuppen in Brand setzten, befahl der damalige Werksleiter nur, die mobilen Brandschutzteams einzusetzen, aber den Produktionsbetrieb uneingeschränkt fortzuführen.
Die Einschläge der polnischen Artillerie und der sowjetischen Raketenartillerie erzeugten aber über den Verlauf von drei Tagen eine unübersichtlich große Zahl von Haarrissen in den Keramikbottichen der Quecksilberlager, lockerten die Schraubschweißschotts der Quecksilberverrohrungen und destabilisierten die Betonwannung.
Unbemerkt von den Löschmannschaften begannen größere Mengen von Quecksilber in das Erdreich zu versickern, während die Brände mehr und mehr Chlorgas freisetzten, das mit dem Wasser der Regenwolken zu Salzsäure reagierte. Schließlich griff das Feuer auf die Stickstoffdüngerlager über und führte zu mehreren Großexplosionen.
Erst jetzt gab der überforderte Kombinatsdirektor den Befehl, die Produktion durch einen Notstopp einzustellen und alle verfügbaren Kräfte zu Löscharbeiten einzuteilen. Das war allerdings zu diesem Zeitpunkt die denkbar gefährlichste Fehlentscheidung:
  1. Das abrupte Schließen der Sicherheitsschotts führte zu einem massiven Druckanstieg in den Quecksilberrohren, weil die Turbinen nicht zeitgleich schnell genug abgestellt werden konnten. Mehrere Rohre barsten und Quecksilber trat frei auf den Werksgrund aus. Der Direktor ignorierte das, weil er die Stickstoffbrände für gefährlicher hielt.
  2. Das Anlaufen der Wassergroßturbinen zum Hochpumpen von Löschwasser senkte den durch den Sommer schon niedrigen Stand des Poltwa weiter und erhöhte damit den Druck auf den inzwischen sickerquecksilbergesättigten Böschungshang.
  3. Die darsu folgende Hangrutschung führte zu einem ersten unabsichtlichen Verdammen des Flusses mit quersilberverseuchtem Erdschlamm und Betonklötzen, während durch das Abrutschen des flußseits gelegen Kombinatsgeländes die Keramikbottiche der Quecksilberlager vollends zersplitterten und innerhab von Minuten über zweitausend Liter Quecksilber in den Fluss platschten.

Lokalisierung

Blitzschnell reagierten polnische und sowjetische Armeekräfte und stellten die Kampfhandlungen ein. Um eine Ausbreitung des Quecksilberstroms Richtung Bug und Weichsel zu hemmen, wurden alle verfügbaren Schleusen verdichtet und Pioniere beauftragt, Trümmer und sonstiges requiriertes Material zur Errichtung eines Notdammes zu verwenden. Der einsetztende Starkregen behinderte die Arbeiten, die trotz der Säureverletzungen unbeirrt fortgesetzt wurden.
Da an eine Rettung der Tier- und Pflanzenwelt unterhalb des Quecksilbereintrags nicht mehr zu denken war, griffen findige Pioniere zu einer wahnwitzigen Sofortrettungsmassnahme: Sie gruben eine Rinne vom Chemiekombinat zum Fluß und leiteten gezielt geschmolzenen Schwefel in das Wasser, um das Quecksilber als Quecksilbersulfid auszufällen und zu binden. Dass dabei aufgrund der hohen Temperaturen auch massenweise Schwefelsäure entstand und die Flussufer und den Notdamm anzufressen begann, nahm man in Kauf.
Zeitgleich wurden die Flugzeuge der Luftlandetruppen beauftragt, Kaliumdithiocarbamat aus umliegenden Betrieben aufzunehmen und das Granulat über den Fluss und auch hinter dem Notdamm flächendeckend in das Wasser zu streuen, um Quecksilber auszufällen.
Inzwischen hatte man die polnischen Streitkräfte so alarmiert, dass sie mit Notauffangbecken das Flusswasser ableiteten und den Zustrom zum Bug abreißen ließen. Hunderte Fische erstickten in den seichten Lacken, aber ihr Opfer diente dem Leben der Flussbewohner im weiteren Verlauf.

Nachwirkungen

Lange nach dem Ende der Trippelbelagerung, offiziell bis zum Abschluss der Dekontamination am 30. April 1957, arbeiteten polnische Spezialisten am Ausheben, Zentrifugieren und Filtern von quecksilbersulfidigem und quecksilberdithiocarbamatigem Schlamm. Böse Genossen behaupten allerdings, das der Schlamm einfach in eine stillgelegte Pyritmine in den Sirchanyy rudnyk gepumpt wurde und dort langsam austrocknet.
Sowjetische Wissenschaftlerinnen der Agraruniversität von Ulan Ude stellten der polnischen Bruderregierung genetisch verbesserte Pflanzen zur Phytoremediation zur Verfügung. Diese bot eine nachhaltige und kostengünstige Methode zur Reinigung von quecksilberkontaminierten Standorten. Durch die Auswahl der sumpfliebenden Pflanzenarten konnte die Effizienz der Quecksilberentfernung maximiert werden. Offiziell wurden die Pflanzenreste aufwändig überarbeitet, um Biowärme und reines Quecksilber zurückzugewinnen, böse Genossen behaupten, man hätte das verottende Heu in eine alte Pyritmine ausserhalb von Lemberg verklappt.
Die nach ökosophistisch-sozialistischen Gesichtspunkten ausgewählten drei Arbeiterinnenpflanzenarten waren:
  1. Indischer Senf (Brassica juncea)
  2. Indischer Senf ist bekannt für seine Fähigkeit, hohe Konzentrationen von Schwermetallen, einschließlich Quecksilber, aufzunehmen. Er wächst schnell und kann daher schnell Biomasse produzieren, die Quecksilber bindet. Indischer Senf genoß den feuchten Boden entlang des Flussufers, wo er Quecksilber aus dem Boden aufnahm.
  3. Sonnenblume (Helianthus annuus)
  4. Sonnenblumen haben eine gute Fähigkeit, Schwermetalle, einschließlich Quecksilber, aus dem Boden zu extrahieren. Sie haben tiefe Wurzeln, die helfen können, Quecksilber auch aus den tieferen Schlammschichten zu entfernen. Sonnenblumen konnten entlang des Flussufers und in flachen Wasserzonen gepflanzt werden.
  5. Schilfrohr (Phragmites australis)
  6. Schilfrohr wächst gut in feuchten oder sumpfigen Bedingungen, die im trockengelegten Poltwa mit zusätzlichen Beton- und Keramikbröseln angereichert waren. Diese Pflanze konnte Quecksilber nicht nur aus dem Wasser, sondern auch aus dem Boden aufnehmen. Schilfrohr half, die Ufer der Poltwa zu stabilisieren und Erosion zu verhindern, während es gleichzeitig Schadstoffe aufnahm.
Bis zum Abschluss der Arbeiten wurde das Wasser des oberen Poltwa über drei Notpipelines um die Unfallstelle und die stabilisierten Dämme herum in drei Kläranlagen geleitet, bevor es in den Bug einmünden durfte. Das führte paradoxerweise zu einem saubereren Bug als vor der Katastrophe. Umgekehrt diente der reichlich vorhande Eintrag aus Natrium und Kalium von der Schwefelfixierung des Quecksilbers sofort als hypertropher Dünger für die Phytoremediation. So giftig der ausgetrocknete Abschnitt des Poltwa auf eine Länge von acht Kilometern war, so schön war das Blütenmeer aus Schilf, Sonnenblumen und indischem Senf anzuschauen.
Art
Natural

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