Spiegelkettenreaktion
Gudea Nasir nahm seinen Umhang und stahl sich hinaus in den Wald. Es war stockduster, aber er konnte es nicht riskieren, eine größere Lampe zu halten, und entdeckt zu werden. Er war den Weg schon öfters gegangen und kannte ihn nahezu im Schlaf. Er lief zu einer kleinen Höhle, schob das Gestrüpp beiseite, schaute noch einmal über seinem Rücken, ob ihm jemand gefolgt sei und schlüpfte hinein. An der Wand der Höhle waren ein paar Fackeln angebracht wurden, die schon brannten. Es roch nach muffigem Blättern und schalem Bier. In der Mitte stand ein einfacher Tisch, der aus ein paar löchrigen Brettern bestand, die mit ein paar Pflanzenseilen zusammengehalten wurden. Darauf lagen ein paar Blaupausen, die eine zierliche Frau und zwei andere Männer studierten. Die Frau schaute kurz hoch und begrüßte Gudea mit einem schnippischen: "Ah, schön das sich der gnädige Herr auch endlich zu uns gesellt!". Dann erhob sie sich und schob ihm eine der Blaupausen hin: "Yarim hat heute die ersten Entwürfe für unser Geschenk an die Magischen hergeschmuggelt und wenn wir die Einzelteile haben, wirst du den ersten Prototyp bauen."Spiegelrebellen bei geheimen Treffen, 2.809 BEC in den Kuria-Digudri-
Kurzer Rückblick
Nachdem die Rebellion 2.820 BEC in den Spiegelschlachten niedergeschlagen wurde und viele Anhänger in unwirtliche Regionen von Idaka verbannt oder sich auf einsamere Inseln von Uluriqi oder in die Tùgwlduin von Brictaelgis zurückgezogen hatten, versuchten sie im Untergrund ihren Zusammenhalt aufrecht zu erhalten.
Zehn Jahre nach der Hinrichtung des Märtyrers Samun Usir starteten die versprengten Rebellen ab 2.810 BEC eine Offensive gegen die Portale auf ganz Elaqitan, die zu einer verheerenden Kettenreaktion im Jahre 2.800 AEC führte. Die sich daraus ergebende Naturkatastrophe ist auch nach der Flucht der Menschen auf die Erde im Gedächtnis geblieben und existiert in vielen Kulturen als Legende noch heute.
Die Vorbereitungen
In den zehn Jahren ihrer Zurückgezogenheit hatten sich die Magielosen angepasst und sind auf den Kontinenten umhergereist, um die Portale, ihre Eigenheiten, die Elaqitanier und ihre Kulturen besser kennen zu lernen. Ihr Ziel - die Zerstörung der Portale - war immer noch klar definiert.
Vielleicht fragen Sie sich, warum es nach Beginn von 2.810 BEC nochmals zehn Jahre dauerte, bis sich die eigentliche Katastrophe ereignete? Nun, die Rebellen gingen sehr subtil vor. Sie mischten sich nach und nach unter die Einheimischen auf allen Kontinenten. Sie freundeten sich mit ihnen an und sie lebten wie der Wolf im Schafspelz mitten unter ihnen.
Da sie es gewohnt waren, ohne die Nutzung von Magie ihren Verstand einzusetzen und auch aus dem Wenigsten, was ihnen zur Verfügung stand, etwas Sinnvolles herzustellen, erfanden sie ein Gerät zur Dopplung von Resonanzwellen auf die Eingabefelder der Portale. Sie nannten es "Harfe des Zorns (Haze)".
Das Gerät musste unterhalb des Eingabefeldes angebracht werden, weshalb viele Rebellen versuchten, sich unauffällig in die Gruppen der Spiegelmechaniker zu schmuggeln. Sie waren gern gesehene Arbeiter, da sie fleißig waren und auch für weniger Geld arbeiteten. Zusätzlich versahen sie die Waffe mit einem Dielektrikum aus Flüssigkristallen, das das Licht um sich herumlenken und dahinter wieder zusammenführen konnte, sodass das Gerät für Unwissende unsichtbar wurde.
Nach und nach befestigten sie überall auf Elaqitan solche Geräte an den Portalen. Da sie bereits vor den Spiegelschlachten gelernt hatten, wie man die Portale bedient und durch ihre Betätigungen wenig Aufsehen erregten, konnten sie schnell und unbemerkt hin- und herreisen.
Die Katastrophe
Sobald die "Harfe des Zorns" an den Portalen angebracht war, begann sie, die erzeugten Schwingungen des Eingabefeldes aufzuzeichnen und zu speichern. Je öfter, das Bedienfeld genutzt wurde, um so größer wurde die Aufzeichnung. Sicherlich, es gab Portale die wurden öfter genutzt, als andere und es gab Portale, an denen wurde die Haze früher angebracht, als bei anderen. Dies alles war ein ausgeklügelter Plan und basierte auf vielen Berechnungen.
Wenn die Speicherkapazität erreicht war, löste die nächste Nutzung des Bedienfeldes einen Impuls aus, der ein Schutzschild rund um den Spiegel aufbaute und das Portal gleichzeitig für einen Ort öffnete, den die Rebellen vorher in die Haze einprogrammiert hatten. Durch den Impuls wurde das ursprüngliche Bedienfeld außer Kraft gesetzt und der gespeicherte Code der Waffe als letztes Ziel an das Portal übermittelt. Eine weitere Nutzung des Spiegels war ausgeschlossen und die Zerstörung des Spiegels von außen bzw. innen oder eine Deaktivierung war auch mit Magie nicht ohne Weiteres möglich. Damit der Plan nicht vereitelt werden konnte, wurden die Portale, die öfters genutzt wurden, natürlich erst später mit der Haze ausgestattet. Diese Tore schlossen sich alle erst kurz vor der Katastrophe.
Die Elaqitanier konnten nicht sehen, zu welchem Ort das Portal führte und ahnten deshalb auch das Risiko einer nahenden Bedrohung nicht voraus. Sah man in das Schutzschild, erkannte man nichts anderes, als ein verzehrtes Ich seiner selbst. Es war nun wirklich ein Spiegel - doch führte sein Inneres in die Tiefen des Îbimiqùrií, dem größten Ozean von Elaqitan.
Vám Lish starrte auf das Portal, dass sich einfach nicht öffnen lassen wollte und eine verzogene Fratze seines Gesichtes zeigte, die ihn auszulachen schien. Er drückte mehrmals auf das Bedienfeld, ohne das es irgendetwas ändern würde. Hinter ihm bildete sich bereits eine Schlange von Leuten, die ebenfalls das Portal nutzen wollten und das Schauspiel teils belustigt, teils verwundert beobachteten. "Wo in der Götter Namen sind diese vermaledeiten Mechaniker, wenn man sie braucht?", fluchte er und lief in die angrenzende Wächterstube. Als er gerade einen der Wächter anschnauzte und rief: "Hey du - ja du, komm her! Das Tor muss repariert werden!", hörte er nur noch das donnernde Geräuch einer tosenden alles mitreißenden Welle ...
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