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Die Vier Weberinnen

Einst war der arme Inoer Revagon nach einer verlorenen Schlacht gefangen in einem Turm. Er träumte von seiner Liebsten in der Ferne, als er unten ein Rumpeln hörte. Da waren vier alte Damen, die Gesichter narbig wie von Pocken und warzig im Licht der Fackeln, an einem Wagen mit einem gebrochenen Rad.   Einsam wie Revagon war, sprach er sie an, klagte von seinem Leid und schwärmte von seiner Heimat. Da sprachen sie, dass sie den Garn den sie geladen hatten wohl kaum in die nächste Stadt bringen konnten, mit dem gebrochenen Rad. Und mit eiligen Fingern knüpften und banden sie das Garn in eine Leiter. Bevor sie sie ihm jedoch hinaufwarfen, baten sie darum auf seiner Hochzeit tanzen zu dürfen. Revagon stimmte dem zu, voller Hoffnung auf Freiheit. Als er die Leiter herabgestiegen war, waren sie fort.
— aus 'Vier vor dem Turm'
Vor langer Zeit reiste Malainne, die Tochter eines Kael, zusammen mit zwei seiner Inoer durch einen Wald, als sie in einen Schneesturm gerieten. Eisiger Frost schlug in ihre Pelze, doch sie sahen das flackernde Licht eines Lagerfeuers an einem Felshang. Am Feuer da saßen vier alte Frauen, garstig von Angesicht, mit Kleidung aus schmutzigen Lumpen. Die Reisenden nahmen bei ihnen Platz, wo der Wind durch den Stein etwas gezähmt war.   Da Malainne noch immer fror forderte sie die Decken, an denen die Frauen webten. Mit dem Hinweis, dass Malainne es ihnen doch sicher eines Tages vergelten würde, erfüllten sie den Wunsch. Bald darauf war es der Adeligen wohlig warm, ebenso wie ihren Mitstreitern.
— aus 'Eisherz'
  In verschiedensten Mythen und Erzählungen im südlichen Vithil'Caelis und Minelar tauchen vier Erscheinungen auf, in der Gestalt alter Damen, meist mit verhülltem oder entstellten Gesicht. Sie bieten den Helden der Erzählungen ihre dringend benötigte Hilfe an, gegen einen Preis den sie später einfordern wollen. Oft als die Weberinnen bezeichnet, treten sie auch in verschiedensten anderen Gestalten auf.  
Zurück in der heimischen Burg, fiel Revagon seiner Liebsten in die Arme und sie versprachen einander zu heiraten. Wenn seine Geliebte auch immer schon kränklich war, so war sie doch sein geliebtes Herz. Als nun der Tag der Heirat gekommen war, kamen die vier Damen, mit sonderbaren Gewändern aus bunten Flicken.   Revagon stellte die Vier seiner Braut als seine Ammen vor, in deren tiefer Schuld er stand. So hießen die Brautleute die vier willkommen, und Revagon gewährte jeder von ihnen im Laufe des Abends einen Tanz.   Da dankten sie ihm, bevor sie aufbrachen, in die Nacht hinein und sie schenkten Revagon ein Juwel in der Größe einer Faust. Nachdem seine Braut es berührte, war sie geheilt von ihrem Leiden. Und ein Kael hörte von dem Wunder, und beschenkte Revagon reich, als der Stein seinen Sohn ebenfalls heilte. So führte Revagon fortan ein Leben in Glück und Reichtum.
— aus 'Vier vor dem Turm'
Vier Jahre vergingen, und Malainne heiratete wiederum einen Kael, der Macht ihres Vaters noch überlegen. So wohnte sie in einem gewaltigen Palast, als eines Tages, in bitterem Winter, die vier Greisinnen an der Tür klopften und baten sich am Feuer wärmen zu dürfen.   Malainne verwehrte ihren Wunsch. Waren sie nicht weit unter ihrem Stand? Waren ihre Kleider nicht grässlich schmutzig? Brachten sie nicht sicher allerlei Krankheit in ihr Haus? Das Feuer im Schneesturm und die Decken hatte sie lange vergessen. Noch einmal baten die Vier und Malainne scheuchte sie fort.   Da wehten frostige Böen durch die Tür herein, dass Malainne bereute sie je geöffnet zu haben. Das Feuer im Kamin verlosch zischend als sie sich ihm näherte. Alles Warme, das sie berührte, erstarrte fortan zu Eis. So jagten die Diener Malainne fort, die Verfluchte, und beteten, dass der Frühjahr die Gletscher tauen möge, die sie zurücklies.
— aus 'Eisherz'
  Oft bitten die vier Damen nur um eine einfache Geste der Freundschaft oder des Respektes, ein Mahl, eine Rast oder einen anderen geringen Wunsch. Wenn jemand sie dann jedoch abweist, beginnt damit sein typischerweise unglückliches Ende. Nur wenige neuere Versionen der Geschichte lassen dem Verfluchten eine Chance auf Erlösung.  
Manche Erzählungen bringen die Vier mit Lysea und Siove in Verbindung, als Erscheinungen derer, oder als treue Priesterinnen, die nach ihrem Tod den Lebenden Streiche spielen. Ich vertrete jedoch die Perspektive, dass sie älter sind, alte Göttinnen, Weberinnen der Geschichten der Helden, das personifizierte Schicksal. Einige alte Versionen nennen auch nur drei Alte, nahezu unvereinbar mit gewissen Vorstellungen des Levientaril.
— Tehin Lueron, Miriadis Talwin


Cover image: Placeholder: Marels Alptraum by Ilmaine

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Author's Notes

Inspiriert von dem Märchen 'Die drei Spinnerinnen'.


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