Wandernde Geschäft

"Vielleicht kann ich behilflich sein?", flüsterte eine Stimme aus dem Dunkeln hinter Reyna. Trotz ihrer geschwächten Körper, den offenen Wunden und ihren ausgebrannten Reserven wirbelten Caipos und Roku herum. Caipos Lebensenergie flackerte aus seinen Fingerspitzen, erzeugte ein feines Knistern, das an zwischen den dichten Bäumen verhallte, kaum zu vergleichen mit den dichten Strömungen von Aura, die der Junge sonst freisetzte. Roku keuchte. Mit aller Kraft zwang er seinen Körper erneut zur Verwandlung. Statt den massiven Drachenschuppen und den einschüchternden Schwingen, brachen sich jedoch nur die Klauen seiner Drachengestalt Bahn, während sich Rillen über seine Haut hinweg öffneten, welche die üblichen Schuppen zu imitieren schienen.

"Kein Grund für Sorge, meine Lieben.", die Stimme meldete sich erneut, zeitgleich mit dem Auftauchen einer kleinen gedrungenen Gestalt, die zwischen zwei Bäumen hervortrat, hinter der ihre Gestalt eigentlich nicht hätte versteckt bleiben können sollen. Der Zwerg musste etwa 70 Jahre alt sein, mit einem langen wallenden Bart, den er zu verschiedenen verrückten Formen geflochten hatte. Besonders die beiden Hörner, die mittig vom Kinn ausgingen und sich über seinen Wangen zu seinen Augenbrauen hochwanden, stachen ins Auge. Eine schwere Rüstung, eindeutig verziert mit aktiven Runen, schmückte seinen Körper und eine schwere Axt hing an seiner Flanke.

Nach enem weiteren zähen Moment der Anspannung erkannte Roku endlich das Wappen auf der rechten Brust des Neuankömmlings. Erschöpft klappte er in sich zusammen, landete auf sein Knien und löste seine partielle Verwandlung wieder auf.
"Lass gut sein, Cai", flüsterte der Magier und fummelte mit zittrigen Fingern den ledernen Beutel mit seinem Geld hervor, "der Kerl ist kein Feind." Der Zwerg erwiderte Erkenntnis mit einem weiten und freundlichen Lächeln, bevor er um den Baum herumgriff, hinter dem er hervorgekommen war und etwas zu sich zu ziehen schien. Knarzend bewegte sich ein steinerner Golem vorwärts, nur wenige Zentimeter größer als sein Meister selbst.

"Also, wie darf ich Ihnen helfen?", erkundigte sich der Zwerg, bevor er den Golem anwieß sich umzudrehen und hierdurch eine hölzerne Tür auf dessen Rücken zu offenbaren, die das gleiche Wappen zierte, wie die Brust des Zwerges. Ein rotes Wappen hinter einer weißen Eule.

Als wandernde Geschäfte werden die Zweigstellen des Vilal-Konsortiums bezeichnet. Die Geschäfte bewegen sich mitsamt ihren Betreibern über ganz Uras und können in den verschiedensten Gestalten angetroffen werden.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Wenn es eine Weisheit gibt, die sowohl Kriminelle als auch Abenteurer und Gesetzeshüter miteinander verbindet, dann ist es diese: "Es gibt keinen besseren Verbündeten und keinen schrecklicheren Feind als jene unter dem Banner der Eule". Dieser Leitsatz zielt auf das Vilal-Konsortium ab, eine Gruppe von Händlern, die ihre Geschäfte überall auf Uras betreibt, angeblich sogar im größtenteils abgeschotteten Tasmeran. Die genauen Hintergründe der Organisation sind unklar, jedoch ist sie für ihre Omnipräsenz auf dem Kontinent und teilweise sogar darüber hinaus bekannt.

Die meisten dieser Händler sind selbst ehemalige Abenteurer, erprobte Krieger und nicht wenige besitzen übernatürliche Fähigkeiten. Zumeist kennt man das Konsortium aus den vollen Hauptstädten von Uras und anderen Metropolen, wo sie ihre festen Geschäftssitze haben. Hierher kommen auch viele der übrigen Mitglieder des Konsortiums, welche ihre Waren aufstocken, bevor sie sich wieder auf die Reise begeben. Diese reisenden Händler, berühmt für ihre wandernden Geschäfte, gelten als die wahren Helden des Händlerverbandes.

Überall

Angeblich gibt es keinen Ort, an welchem nicht auf einen Händler des Konsortiums getroffen werden kann. In untergangenen Ruinen, deren Siegel erst vor Minuten gebrochen wurde, auf fliegenden Festungen, in aufgegebenen Minenschollen und sogar auf umkämpften Schlachtfeldern oder am Grund des Meeres. Diese fahrenden Händler werden in zwei Kategorien eingeteilt. Jene, die in magisch vergrößerten Taschen ihr Inventar bei sich führen oder jene Händler, die in Begleitung einer Tür reisen. Diese Tür beschwören sie entweder durch bestimmte Rituale, tragen sie stetig in irgendeiner Form bei sich oder führen in der Tat ihr ganzes Geschäft in verschiedensten Formen mit sich herum.

Die bekanntesten Variationen dieser Türen werden auf Golem angebracht und transportiert, werden mittels Raum-Magie oder Astralenergie erzeugt oder fungieren als Teil seltener Artefakte. Da die meisten dieser Türen als Teil von Taschendimensionen fungieren, sind sie nur an ihren Anwender angebunden und können somit nicht genutzt werden, um von einem Punkt auf Uras zu einem weiteren zu reisen. In seltenen Fällen kann jedoch auch auf Mitglieder des Konsortiums getroffen werden, welche mit ihren Geschäften mehrere Eingänge bedienen und somit auch zur Reise von einem Ort zum nächsten genutzt werden können.

Regeln des Konsortiums

by CSor96 using Midjourney
Das Konsortium selbst ist aus einer der Statuten der Waage geboren worden. Nachdem die Organisation, bestehend aus wichtigen Regenten der mächtigsten Gruppierungen der Welt, lange Zeit daran gescheitert war, Artefakte und andere mächtige Objekte aus den Händen der Regierung fernzuhalten, schlugen sie einen neuen Weg ein. Mächtige Artefakte mussten nicht nur öffentlich registriert werden, auch ihr Verkauf musste über offizielle Stellen geschehen und die entsprechenden Verkäufer mussten eine ausreichend Eignung zum Schutz der Objekte besitzen.

Die ersten Grundpfeiler des Konsortiums bildeten sich also ein Zusammenschluss aus Händlern und Befähigten, die das Handwerk von ihnen erlernten. Langsam begann die Gruppierung in den Städten an Einfluss zu gewinnen und einzelne ihrer Mitglieder entwickelten die wandernden Geschäfte, mit denen sie über das Land zogen. Auf ihren Reisen gerieten sie hierbei zwangsläufig von Zeit zu Zeit an unliebsame Gesellen, die es auf die Waren der Händler abgesehen hatten.

Open
Jeder Gast, welcher durch diese Tore schreitet, hat sich folgenden Anweisungen ohne Widerwehr zu folgen:

1. Jedewede Gewalt ist strengstens verboten
2. Schützende Talismane und andere Objekte der Gegenwehr müssen an den persönlichen Beuteln am Eingang zurückgelassen werden.
3. Das Ziehen von Waffen jedweder Art ist strengstens untersagt, außer es wurde offen zum Ziehen der Waffe durch eine autorisierte Person aufgefordert.
4. Die Nutzung übernatürlicher Kräfte ist untersagt.
5. Der Verzehr mitgebrachter Speisen und Getränke ist untersagt.
6. Geschäfte sind in Kaliat zu tätigen.
7. Sollen Geschäfte mit abweichenden Währungen getätigt werden, darf durch die Authorität vor Ort ein prozentueller Aufschlag bestimmt werden.
8. Für alle Geschäfte wird ein Risikoaufschlag verlangt.
Diese bildete schließlich die Regeln des Konsortiums zum Schutz ihrer Mitglieder. Zur Durchsetzung dieser Regeln dient vor Allem der kontinental weitreichende Einfluss des Zusammenschlusses von Händler. Wer auch immer die Regeln des Konsortiums bricht, wird zwar nicht zu deren Ziel, wird jedoch aus jedem künftigen Geschäft mit dem Konsortium ausgeschlossen. Selbst wenn der Täter halbtot, mit den Taschen voller Kaliat, am Wegesrand liegen würde, würden die Händler den Kunden ignorieren und ihre Türen verschlossen halten.

Gleichermaßen wird eine Beschreibung und der Name des Täters an die meisten Großstädte und Metropolen des Kontinents übermittelt und dort vielerorts auch nicht mehr als Kunde lokaler Geschäfte empfangen. Zur Ausführung dieser Maßnahmen sind alle wandernden Geschäfte und ihre Händler mit übernatürlichen Attributen ausgestattet, die ihre Ortung möglich macht. Diese sammeln darüber hinaus alle energetischen Signaturen, welche mit dem Händler in Kontakt kommen, um daraus potentiell die Täter eines Angriffs abzuleiten.

Durch diese Regeln und der immensen Konsequenzen, die auf ihren Bruch folgen, gab es in der letzten Dekade nur drei dokumentierte Angriffe auf die Mitglieder des Konsortiums. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Händler der Organisation sich gewaltiger Beliebtheit erfreuen, viel eher gelten sie als Aasgeier und notwendiges Übel. Das gleiche Produkt, welches in Städten nur 100 Kaliat kosten würde, kann in den wandernden Geschäften durchaus 400 Kaliat kosten. Begründet wird dies - zumindest durch die Authoritäten vor Ort - durch Gefahrenaufschläge, erhöhte Steuerabgaben, Transportkosten und natürlicher die alltägliche Fluktuation von Währungsmitteln.


Cover image: by Csor96 using Midjourney

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