Zum friedvollen Krug

"Ich war selbst nie dort, ich kenne auch nur die Geschichten.", lachte Arwin während er mit der eisernen Kelle durch den Eintopf fuhr und diesen kraftvoll umrührte.
"Aber glaubst du, dass es existiert oder handelt es sich nur um eine Legende?", wilde Aufregung zeichnete Liams Gesicht während er aus fiebrigen Augen den großgewachsenen Mann betrachtete.
"Ich sage dir zumindest folgendes. Vor ein paar Jahren ist mir auf einer Reise im Süden jemand begegnet, ein Astraler, mehr als 200 Jahre alt. Nie zuvor und nie wieder habe ich jemanden getroffen, der so viel von der Welt gesehen hatte.", der ältere Mann machte eine bedeutungsschwangere Pause, bei der er die kreisende Bewegung stoppte und kurz gen Himmel blickte, "Jede seiner Geschichten klang unglaubwürdiger als die davor, aber doch hatte ich immer das Gefühl eine unumstößliche Wahrheit würde in seinen Worten liegen."
"Und er war dort? In der Taverne?", platzte es aus Liam heraus, der mittlerweile nicht mehr sitzen konnte, sondern hektisch von einem Bein aufs andere trat. Arwin hielt nun komplett inne. Er atmete aus, ließ die nächtlichen Schwaden seines Atems auseinander treiben und zupfte sich den dünnen Kinnbart. Eine schiere Ewigkeit schien für den Jungen zu vergehen, bevor der Ältere endlich das Schweigen brach. Sein schallendes Lachen ließ Liam kurz zurückschrecken und beinahe auf dem Hosenboden landen.
"Nein, er war nie dort.", presste Arwin zwischen seinem Lachen heraus und rieb sich den Anflug einer Träne aus dem Augenwinkel, "Aber er hat mir einmal von einer gewaltigen Schildkröte erzählt, die an einem sternengesprenkelten Nachthimmel, der genau wie der heutige war, unter den Wolken vorbeischwamm. Er behauptete auf ihrem Rücken eine hölzerne Hütte gesehen zu haben, die die Ausmaße eines ganzen Palastes hatte."
Beinahe beleidigt ließ sich sein Sohn wieder auf den hölzernen Stamm sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit den Momenten verklang Arwins Lachen und sein Blick traf den unzufriedenen Gesichtsausdruck des Jungen. Er zögerte kurz, verstärkte die Anstrengungen beim Rühren des Eintopfs bevor er sich mit allem Ernst den er aufbringen konnte erneut zu Wort meldete: "Wenn du groß bist kannst du selbst danach suchen. Angeblich finden nur die Friedvollen diesen sagenumwobenen Ort. Im Inneren dieser Legende ein kühles Glas zu trinken klingt nach einem herrlichen Traum für mich."

Die Taverne "Zum Friedvollen Krug" ist ein Ort, der seit Ende des zweiten menschlichen Befreiungskriegs Erwähnung in Sagen und Legenden aus aller Herren Länder findet. All diese Mythen gehen auf den selben Ursprung zurück, eine Gruppe bestehend aus den Mitgliedern der verschiedensten intelligenten Völker, die versuchten dem Krieg zu entfliehen und in diesem Streben einen Ort der Völlerei, des Vergnügens und am wichtigsten, des Friedens erschufen.

Inhaltsverzeichnis
Typ
Pub / Tavern / Restaurant

1. Auf dem Rücken einer Schildkröte

Solltet ihr nach jenem Ort suchen, so solltet ihr stets die Augen offen halten. Die Tür an jenen Ort kann sich grade dann manifestieren, wenn ihr nicht mit ihr rechnet. Manchmal hebt sie sich am nächtlichen Lagerfeuer aus dem Boden, manchmal nimmt sie den Platz einer anderen Tür ein oder sie treibt nur als Reflektion auf einem unsteten Gewässer. Darüber hinaus sind es Momente der Verzweiflung, der Rastlosigkeit und der Sorgen in denen sich jene Tür öffnet und einem eine Zeit des Friedens und der Ruhe gewährt. Selbst wenn sie sich euch jedoch zeigt, vergesst niemals die Regeln dieser Zusammenkünfte. Wer ins Innere des friedvollen Krugs möchte, der hat einen Preis für diesen Eintritt zu bezahlen. Geld wird euch jedoch nicht weit bringen. Dieser Ort lebt von den Präsenten, die von seinen Besuchern mitgebracht wurden. Ihr Geschenke sorgen für die stete Weiterentwicklung der Taverne, daher solltet ihr einen eurer Schätze oder eine Errungenschaft mit euch bringen. Tut ihr dies, so ist euch eine Nacht voll trunkener Freude und Völlerei vergönnt, die ihresgleichen sucht. Vergesst jedoch niemals die wichtigste Regel unter dem Dach des Friedens. Wer Böses tut oder zur Waffe greift, wird von der Macht dieses Ortes nach draußen geschleudert und wird ihn nie wieder sehen."
Als der zweite menschliche Befreiungskrieg den Kontinent von Uras erschütterte, erhob sich eine kleine Gruppe bestehend aus Menschen und anderen Vertretern der intelligenten Völker, welche vor der Front der geeinten menschlichen Armee flüchteten. Ihr Ziel war der ferne Süden des Kontinents, wo ein Schiff aus ihrer Zusammenarbeit gebaut werden sollte. Auf diesem Gefährt wollten sie das scheinbar endlose Meer im Süden überqueren und eine neue Heimat fern des zerrütteten Kontinents finden.

Dieses Schiff, die "Einheit", beherbergte alle möglichen Arten von Spezies, die gemeinsam auf das Tarial-Archipel umsiedelten und dort ein neues Leben der Einigkeit und des Zusammenhalts begannen, einige Wesen jedoch blieben zurück. Die Geschichte streitet sich darum weshalb diese zweite Gruppe nicht auf das von ihnen geschaffene Fortbewegungsmittel stieg und so wird einerseits von einem mysteriösen Hauch des Schicksals gesprochen, aber auch von internen Streitigkeiten oder Machtkämpfen in dieser gleichgestellten Gruppe. In jedem Fall jedoch spaltete sich diese zweite Gruppierung ab und wandte sich der Schöpfung einer Alternative zu.

Diese Alternative kam in Form der gewaltigen Schildkröte Habridia, welche der Gruppe auf ihre Reise im Süden des Kontinents begegnete. Bis heute ranken sich Legenden und Mysterien um dieses eigentümliche Wesen, als bestätigt gilt jedoch seine Fähigkeit sich durch die verschiedenen Ebenen des Astraviriums zu bewegen. Welche Kräfte genau es hierzu befähigen sind unklar, jedoch war Habridia bereit diese Fähigkeit in den Dienst der Gruppe zu stellen und so wurde ihnen gestattet auf dem Rücken der Kreatur ein Haus zu errichten. Dieses kleine Gebäude, zunächst nur ein einfacher Raum, wurde bald schon von all den Parteien verfeinert, die der Gruppe beiwohnten.

Einer der menschlichen Magier wirkten einen Zauber welcher das Innere des Gebäudes in ein Vielfaches dessen verwandelte, was von außen sichtbar war. Die Elfen besangen das Holz und schufen eine
wunderschöne und prachtvolle Innenausstattung. Die Zwerge errichteten ein steinernes Gerüst auf dem Rücken von Habridia, welche der Schildkröte als Panzerung dienen sollte. Einige Individuen mit den Kräften der Orakel banden eine Fähigkeit an das Gebäude, wodurch seine Anwesenheit die Grenzen zwischen Geistern und Sterblichen aufzulösen vermochte. Die Jahrtausende brachten fortan immer mehr Wesen in diese heiligen Hallen des Friedens und so wuchsen die Kräfte der Taverne nahezu ins Unermessliche.

2. Wo Welten und Zeiten kollidieren

In den folgenden Jahrhunderten begann Habridia durch die Ebenen des Astraviriums zu wandern und bei jeder Gelegenheit ließen sie Gäste in das Innere des Hauses, welches sie zu einer Taverne ausarbeiteten. Vermutlich gibt es keinen Ort auf ganz Terria, wo eine größere Auswahl an Speis und Trank erworben werden kann als hier und mit jedem Besucher wuchs die Auswahl weiter an.

So sammelten sie bestimmte Brautechniken und Rezepte für Speisen. Die Bewohner lernten die Künste der Seelensteine zu nutzen und mit all den verschiedenen Kräften legten sie Räume an in denen sie Pflanzen züchten, Tiere halten und brauen konnten. Schließlich wuchs das Innere des einen winzigen Hauses auf dem Rücken der Schildkröte auf mehrere hundert Räume an, die die verschiedensten Größen von Lebewesen beherbergen konnten und auf ihre spezifischen Bedürfnisse ausgelegt waren. Darunter befanden sich Dutzende Tavernen, Gasträume mit Betten, Zimmer zum Austragen der verschiedensten Spiele aus Kulturen aller Welt, Saunen, Brauräume und im Grunde alles was man sich nur vorstellen kann und Räume für jeden Aspekt einer jeden Kultur und ihren Austausch.  

Obwohl es wohl anfänglich nur der Gedanke war einen Ort der Zuflucht und des allgegenwärtigen Friedens zu schaffen, zeigte sich bald der Einfluss dieses einen Experiments auf die äußere Welt, wenn auch nur im kleinen Rahmen.
Im Laufe der Zeit fanden derart viele Wesen ihren Weg in diese gemütliche kleine Welt, dass all ihre Gesetze und Grenzen scheinbar nach und nach an Relevanz verloren. Zunächst konnten sich lediglich die Bewohner des Kontinents Uras dort treffen und auch nur jene von einem Ort. Mit der Zeit jedoch fanden sich Kräfte die es Habridia erlaubten an mehreren Orten gleichzeitig zu sein und so konnten die Bewohner von Kartus bei ihren rätselhaften Besuchen mit den Bewohnern von Mas'Orat trinken. Mit der Zeit gelang es der Schildkröte sogar die mächtigsten Versiegelungen zu durchbrechen und so fand sie auch die Einwohner versteckter Elfenreiche und Raskhane aus den Tiefen des Hohlenreichs, die ihre Ahnen suchten oder Lorels welche die Dschungel bei den Varaam-Weiten durchstreiften. Hier sollte diese Entwicklung jedoch nicht enden. Mit der Zeit gelang es durch den Zufluss an Kräften sogar Zugänge in die Welt der Geister zu erlangen und so konnten selbst die Verblichenen ein Gespräch mit den Diesseitigen schätzen. Schließlich fanden sogar einige Dämonen und damit die längst Verstorbenen einen Weg sich mit Anderen auszutauschen. Selbst die absurdesten Kreaturen mit kaum begreiflichen Formen, die die Leere zwischen den Ebenen durchstreiften trafen hier auf irdische Kreaturen. Selbst der Umtrunk mit einem leibhaftigen Drachen war an diesem Ort möglich.


Gewiss werde ich niemals jene eine Nacht an diesem magischen Ort vergessen. Ich trank mit den verrücktesten Gesellen in einer Taverne, die den elfischen Waldpalästen nachempfunden waren. Danach tanzte ich in einem von flammenden Säulen und dichtem Dampf verhangenen Steingefilde, das den Beschreibungen der Städte der Promethen nachempfunden war. Ich schwamm in dem Wasserbecken einer Therme nachdem ich mich in selbiger einem langen Dampfbad hingegeben hatte. Ich teilte mir das Wasser mit Nixen und Lamias, dem Meervolk von dem ich bisher nur in Jou'roens Werken gelesen hatte. Ich schlenderte durch den Gärten die den alten Stilen der Gesenner und der Miriten nachempfunden waren, bestaunte die mykronische Architektur einer gewaltigen Halle und speiste an einer Tafel, wie sie nur elbrinsche Kräfte hervorbringen konnten unter dem künstlichen Sternenhimmel, welchen Hormet in seinen "Studien der vergessenen Lande und verlorenen Orte" erwähnte. An selbiger Tafel sprach ich mit dem Geist eines Helden von Uhrteshkan, einem Barbaren der wilden Lande, ich trank etwas das sich Ichoria nannte mit einem Deiten, der sich mir als Haliamar bekannt machte und teilte mein Bett mit einer Didalia, deren Volk in allen Geschichten von Uras nicht einmal Erwähnung fanden
— Schriftstück eines Abenteurers aus Trinidaris


3. Mächte und Geheimnisse

Es ist unklar wie genau die Kräfte im "zum friedvollen Krug" verankert sind, jedoch muss irgendetwas in diesen scheinbar unendlichen Gemäuern mittlerweile eine gewaltige Menge an Macht und Einfluss angehäuft haben. Dieses Wesen kann sich nicht nur gleichzeitig an hunderten Orten gleichzeitig befinden, es kann auch scheinbar jedes Wesen im Inneren mit einem einzigen Gedanken zurück an seinen Ursprungsort verbannen. Es kann jede Form von Barriere oder Absicherung umgehen und kann frei zwischen allen Bereichen des Astraviriums reisen. Hiermit scheint es sogar einige Kräfte der Yal'Sekai überschreiten zu können und Legenden nach wurden sogar bereits Deitische in diesen Hallen angetroffen. Selbstverständlich haben schon einige Wesen in diesen Hallen versucht mehr herauszufinden, doch wer immer auch nach Antworten auf all diese Fragen sucht, wird irgendwo in den endlosen Stockwerken lediglich einen smaragdgrünes Schimmern finden, welches scheinbar hinter jeder weiteren Tür wartet und doch niemals erreicht werden kann. Auch jene die versucht haben die Schildkröte nach Antworten zu fragen, konnten nur berichten, dass das Wesen ihre Fragen geschickt umging, eine Tasse eines köstlichen Tees anbot und ihnen stattdessen Antworten für die Fragen ihres Lebens gaben, von denen sie nicht einmal wussten, dass sie sie hatten.

Und so wandert Habridia von Ort zu Ort, Stadt zu Stadt, Reich zu Reich, Land zu Land, Kontinent zu Kontinent, Welt zu Welt, Pfad zu Pfad, Ebene zu Ebene und Astravirium zu Astravirium. Seid froh, wenn ihr jemals von ihr aufgesucht werdet und schätzt jeden Augenblick im Inneren. Genießt Speis und Trank wie ihr es niemals zuvor geschmeckt habt und sprecht mit Figuren aller Zeiten und Herkünfte. Lernt ihre Spiele, ihre Bräuche, ihren Frohsinn und ihre Geschichten kennen. Doch brecht nie die Regeln dieses Ortes, damit ihr wiederkehren könnt. Oh, damit ihr wiederkehren könnt, auf einen weiteren Trunk im "friedvollen Krug".

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