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Wed 25th Sep 2024 09:51

Ein Sterbender Schwan

by Pío von Soto

Ameisen stoßen Säure aus.
Und diese Säure, fürwahr, hat seinen Weg in mein Inneres gefunden, sich ausgebreitet und schließlich als sein Eigen beansprucht. Das Gift durchzieht meine Adern, raubt mich aller Kraft und hinterlässt mich wie eine leergesogene Hülle, wie das Opfer eines gefräßigen, blutrünstigen Vampirs. Wäre ich eine Frau, so würde ich zu behaupten wagen, Carmilla persönlich hätte sich an mir gelabt. Doch wir alle wissen, dass Carmilla sich niemanden meines Geschlechts annehmen würde... You go, girl.
 
Ganz schummrig ist mir. Kein Gedanke mag meinem Geiste für länger als ein paar Sekunden beiwohnen. Wirre Gespinste weben sich aus den buntesten Farben zusammen und formen tollkühne Bilder, die ich mir nicht in meinen arglistigsten Albträumen ausmalen könnte. Selbst Worte gleiten mir nur so von der Zunge, aber nicht im Sinne eines eloquenten Redeflusses. Man könnte meinen, sowohl mein Mund als auch mein Gehirn wurden mit Schmalz überzogen, was ihnen sämtlichen Halt raubte. Ja, womöglich wurden auch meine Augen und Ohren mit diesem Schmalz überzogen, den denn nie war die Welt um mich herum gar so benebelt - nein, patzig trifft es eher. Patzig, klob und verschmiert.
 
Noch dazu kommen die unerträglichen Schmerzen von Seiten meiner Wange, welche offensichtlich der Ursprung allen Übels ist. Oh, als die Ameise mit ihren besudelten Werkzeugen mein Fleisch bearbeitete, so muss sie ohne Zweifel Furchtbares eingeschleust haben, welches der zähe Eiter nun mühselig versucht aus meinem Körper zu entfernen. Die Schmerzen sind unerträglich, und wäre ich auch nur ansatzweise bei Sinnen, hätte ich bereits die in meinen Fingern wohnenden Ameisen zur Tat geschickt - immerhin scheint es so, als wäre das Heilen von Wunden und anderen körperlichen Leiden an der Spitze ihrer Tüchtigkeiten.
 
Und ich kann es kaum glauben, wenn ich so spreche, doch zum ersten Male bin ich überaus glücklich über den überproportional ausgeprägten Mutterinstinkt Jolènes. Sie bringt mir Tee, gedenkt es mich gesund zu pflegen. Ich schätze dieses Hegen. Hoffentlich, ja hoffentlich werde ich alsbaldig wieder auf den Beinen sein. Immerhin haben wir nicht ewig Zeit.
 
Ich sollte rasten... und sobald sich meine Arme nicht mehr wie ein paar sterbender Schwäne im See meines Raststättenbettes zu ersäufen gedenken, werde ich die Ameisen ans Werk schicken...
 
In der Zwischenzeit... Alfred, ich hoffe zwar nicht, dass du gewinnst - das möge Basilio vorbehalten sein. Doch ich wünsche dir dennoch gutes Gelingen bei deiner Performance. Ich hätte sie echt gerne gesehen.