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Thu 25th Jul 2024 08:19

Erfolg und seine Folgen

by Segu

Besorgt um Wiatts Verhalten und leicht veränderten Aussehen sammeln wir uns um ihn. Seine Augen nehmen eine angenehm goldene Farbe an, das Weiß verdunkelt sich leicht, und nun spitzen sich noch seine Fang... nun, Eckzähne zu. Sein Blick ist unstet, seine Atmung flach und angespannt, sein Stand unsicher. Vielleicht etwas, das er sich im Sumpf eingefangen hat. Es gibt da auch diese Parabel von Gestaltwandlern und Lycanthropen, die zu Vollmond wie heute Nacht ihr wahres Gesicht bzw. ihr tierisches Ich zeigen, aber der Mond scheint nun schon seit einigen Stunden, also hätte doch schon irgendwas passieren müssen, oder? Und hatte nicht Salaîne irgendwas von glühenden Augen gemurmelt nach ihrem ersten Streit nach dem Bekämpfen der Baumkreaturen? Da war hellichter Tag und noch lange nicht Vollmond. Vielleicht haben die hiesigen Kräuter eine magische Wirkung auf Bloodhunter, immerhin sind wir ja wegen magischer Blumen hier, und was da alles interagieren kann mit was-auch-immer die Gilde mit ihren Mitgliedern anstellt.
Nun, herumraten wird wohl keine entgültigen Antworten hervorbringen, also bitte ich Tiz um den Handspiegel, mit dem sie ständig ihre Kleidung nach Flecken überprüft, und halte ihn Wiatt vors Gesicht. Er schreckt fast vor seiner eigenen Reflexion zurück, also gehe ich davon aus, dass er selbst überrascht von seiner Erscheinung ist. Wiatt schreitet an Salaîne heran, die ein paar Meter entfernt steht, und klagt sie an, ihn verzaubert zu haben. Ich dachte auch kurz über den Dunkelheitszauber mit den Zuflüsterungen, aber in meiner kurzen Ohnmacht hat sie wohl eine Hexerei gewirkt, die die Pflanzen in der Umgebung hat verdorren lassen. Ich verwefe diese Theorie; wenn Salaîne einen Zauber gewirkt hätte. der Wiatt entstellt oder schadet, würde sie es nicht abstreiten, sondern ominöse Andeutungen machen, wenn ich ihre Interaktionen der letzten Tage richtig deute. Aber Bloodhunter scheinen eine besondere Aversion gegen Hexen zu habem - vielleicht aus politischen Gründen, haben Hexen doch wichtige beratende Positionen an sämtlichen größeren Höfen inne, Bloodhunter jedoch nur sitautionell, wenn es ihrer strategischen oder professionellen Expertise bedarf. Wie dem auch sei, der Rest der Gruppe kommt nur zu einem Patt in dieser Diskussion, und so gelangen wir in einen wackeligen Waffenstillstand. Salaîne tritt sogar nahe an ihn heran (was in der Situation eine klare Eskalation sein sollte) und betrachtet ihn mit dem geübten Auge einer Person, die Erfahrung mit Krankheiten hat, die man sich im Sumpf einfangen kann, und schließt letztendlich den Einfluss der Umgebung, der Tiere und Pflanzen auf Wiatts Körper aus. Also doch irgendetwas Magisches...
 
Die anderen haben nun während unserer Reise durch den Sumpf festgestellt, dass es hier nirgends einen Untergrund gibt, auf dem man bequem und trocken rasten kann, also schlage ich vor, die Nacht hindurch zu reisen, um kurz nach Sonnenuntergang - wenn wir den Herweg schnurstracks zurückverfolgen - im Gasthaus einzukehren, in dem wir die Pferde zurückgelassen haben. Ich versuche, die Augen und Ohren nach Gefahren offenzuhalten, aber das kaum geflüsterte Herumgezanke hinter mir hätte wohl sämtliche Tiere von unserer Anwesenheit alamiert, also konzentriere ich mich lediglich darauf, einen einigermaßen sicheren Untergrund zu finden. Nach einigen Stunden stehen wir endlich erschöpft und angespannt vor dem Gasthaus, und während der Rest schon einkehrt, habe ich ein kurzes Gespräch mit der Stallmagd, die sich vorbildlich um Nocta, Bolle und Pferd kümmert. Ich stoße zu den anderen, hole mir eine Tasse Tee von Tiz und einen Teller Frühstück vom Wirt und ziehe mich in das Zimmer zurück, das ich mir mit Wiatt teile, schlinge alle runter, und falle endlich in Vesakos wartende Umarmung. [Auch Tiz und Wiatt gehen schlafen, nur Salaîne nimmt mit etwas Abstand zum Gasthaus Platz und wirkt einen abgewandelten Mondstrahl auf Wiatt durch das Zimmerfenster, um durch die Augen ihrer Eule Allomere zu beobachten, ob das Mondlicht eine Wirkung auf ihn entfaltet. Tatsächlich kann sie zwar dessen Augen nicht sehen - er schläft nunmal leider mit geschlossenen Lidern - aber er liegt mit weit genug aufgesperrtem Mund da, dass sie schließlich das Wachsen seiner Eckzähne bemerkt. Sie beendet die Zauber mit einem Schaudern und einem Gebet um Vergebung an Galachna, beides dem Nutzen des Vollmondlichtes geschuldet, und geht endlich auch zu Bett.]
 
Zum Glück ist das Gasthaus derzeit spärlich besucht, denn so hat der Wirt nichts dagegen, uns auch am späten Nachmittag ein Frühstück herzurichten, als wir nach und nach im Schankraum eintreffen. Die Speckstreifen sind wirklich bemerkenswert, daher bitte ich die Schankmaid, den Wirt nach dem Tier und dem Rezept zu fragen - wenn Ruco davon hört, möchte ich ihm etwas Handfestes mitbringen. Sie kommt mit einem Zettel aus der Küche und übergibt ihn mir, als just in dem Moment Wiatt in den Raum kommt und mir gegenüber Platz nimmt. Tiz und Salaîne flankieren ihn auf jeweils einer seiner Seiten und beäugen ihn (argwöhnisch?/besorgt?). Er scheint wirklich noch etwas geschwächt und benebelt zu sein, aber die Inspektion - vor allem das intensive Anstarren durch Tiz - scheint ihm unter die Haut zu gehen, und so sitzt er bald lieber neben mir auf der Bank. Wieder kommt es zu einem Streitgespräch über Hexerei und Hexen im Allgemeinen bzw. über Bloodhunter und deren wohl einigemaßen infame engstirnige Weltsicht, und auch Tiz schaltet sich ins Gespräch ein und bietet Salaîne zu aller Anwesenden Überraschung ihr Blut für deren Zauber an. Sie nimmt sich sogar ein Messer und schneidet sich, ehe wir sie davon abhalten können, in die Hand, um das versprochene Blut in ihrer Frühstücksschale zu sammeln. Die Schankmaid, die einen benachbarten Tisch wischt, ruft schockiert aus, ist dann aber einigermaßen befriedet, als Tiz die Flecken wegwischt, die dann entstanden waren, als sie die Schale zu Salaîne hinüberschieben wollte, ihr diese aber von Wiatt entgeistert aus den Klauen gerissen wurde. Der Bloodhunter wird es nicht müde, die Hexe ob seiner gestrigen Veränderungen zu beschuldigen, trotz derer Beteuerungen und Tiz' Versuch, die Wogen zu glätten, aber schließlich erreichen wir eine Impasse und beschließen, das bis zu unserer Rückkehr in Colvera ruhen zu lassen und zu beobachten, ob es noch einmal vorkommt. In der Hauptstadt - und besonders am Hof der Vanjaróns - gibt es ja gut ausgebildete Medici und Kleriker, die sich das genauer besehen können.
 
Die sechstägige Reise zurück nach Colvera ist ereignislos, wir können auf dem Weg in den verschiedenen Gasthäusern unterkommen und Wiatts Zustand scheint sich wieder normalisiert zu haben. Es ist eine angenehme Abwechslung, meine Energie nicht auf Arbeit oder Überleben konzentrieren zu müssen, und so bleibt mir genug Gelegenheit, einen umfassenden Bericht für Ihre Hoheit Madalena zu verfassen. Als wir endlich am Hofe ankommen, nimmt sich jeder eine Stunde frei, um sich vorzeigbar zu machen und in frische Kleidung zu wechseln. Dann treffen wir wieder zusammen (die Pferde sind wieder an ihrem angestammten Platz im herzöglich Stall) und ersuchen um eine Audienz bei Ihrer Hoheit, die wir flugs erhalten. Ich setze mich auf einen der mittleren Stühle, um den beiden Streithähnen Abstand voneinander zu verschaffen, und übergebe Ihrer Hoheit meinen Bericht, den sie zufrieden entgegennimmt. Nichtsdestotrotz wünscht sie, mehr Details von den Anwesenden zu erfahren, da sie bisher nur von Generälin Jamin in ihrer kurzen Nachricht von den Ereignissen bis zu unserer Verabschiedung (und von unserem vorbildlichen Mitwirken) erfahren hat. Salaîne übergibt ihr die Myrlys-Blumen, deren Zustand offenbar zufriedenstellend ist, und wir berichten Ihrer Hoheit von der Reise, insbesondere vom Überfall, den Beteiligten, den Informationen, die wir herausfinden konnten, und unseren Überlegungen dahingehend, was wir nicht in Erfahrung bringen konnten. Ihre Hoheit scheint sehr interessiert und besorgt zu sein - sie macht sich detaillierte Notizen zu allem, was wir erzählen - und dankt uns schließlich für den abschließenden Bericht und unsere Hilfe. Als Belohnung erhalten wir sogar einen Bonus auf die vorher vertraglich zugesicherte Goldmenge, den ich fast schon ablehnen möchte. Immerhin ist es nur natürlich, den Wünschen der Drachenblütigen zu entsprechen, aber eine Ablehnung wäre beinahe eine Beleidigung, also nehme ich lieber ergiebigst an. Ich bitte sie noch höflichst, Wiatt einen der Hofmedici für eine Untersuchung zur Verfügung zu stellen, und sie gibt uns die Erlaubnis, während sie uns schlussendlich entlässt.
Im Empfangssaal nimmt mich Salaîne zur Seite, und scheint mir einreden zu wollen, dass ich meinen Stolz über das, was wir in den letzten Tagen geschafft haben, offener tragen soll. Ich wei0 ja nicht, ob es in Beycillis oder im Zirkel des Abnehmenden Mondes andere Standards gibt, aber meine Erklärung, dass es unsinnig wäre, besonders stolz darüber zu sein, den Höhergestellten einen Dienst zu erweisen, als ob ich stolz darauf sein würde, dass meine Schuppen schwarz oder meine Klauen scharf wären, scheint nicht zu ihr durchzudringen. Nicht weit von uns entfernt probiert es Tiz mit mehr oder weniger Gewalt, Wiatt dazu zu bringen, einen Hofmedicus oder kleriker aufzusuchen, aber er widersetzt sich ihr. Ich kann ihn gerade so überzeugen, sich wenigstens von den Fachleuten seiner Gilde untersuchen zu lassen, und schließlich verabschieden wir uns alle voneinander. Tiz lasse ich wissen, dass ich die nächsten Stunden bei Ruco zu finden sein werde, mit dem ich mich über die letzten zwei Wochen austausche, wobei auch Tiz nach einiger Zeit des Aufräumens der Räumlichkeiten der Prinzessin zu uns stößt. Es ist nur weniges in unserer Abwesenheit geschehen, aber es tut gut, dass sich hier so wenig verändert, obschon es nie langweilig zu werden scheint.
 
[Es folgen drei Tage Downtime. Segu und Tiz nehmen ihre Pflichten wieder auf, auch wenn Sofia nicht anwesend ist. Salaîne braut Heiltränke und ein generisches Gegengift, und macht später eine Shoppingtour mit Tiz. Wiatt vollzieht seinen Aufstieg in den nächsten Rang, zieht in den entsprechenden Schlafsaal um, lässt sich von einem Experten bestätigen, dass sein Körper schwach von unbekannter Magie beeinflusst worden war, und wird sowohl wegen seiner Zusammenarbeit mit einer Hexe getriezt als auch in seinen Vorurteilen denen gegenüber bestärkt.]
 
Am dritten Tag nach unserer Rückkehr nach Colvera trifft auch Jamin wieder ein. Die Pferde ihres Trupps kommen natürlich bei mir unter, so bin ich auch einer der ersten, der davon erfährt, obwohl die Neuigkeit schnell durch die Burg und dann durch Colvera reist. Umso überraschter bin ich jedoch, als ein Botenjunge mir [und den anderen später auch] einen Brief mit dem Siegel Seiner Hoheit Valente überbringt. Nachdem er mir wiederholt versichert, dass ich der korrekte Adressat des Briefes bin, öffne ich ihn endlich und werde mir zu meinem Erstaunen und Schrecken gewahr, dass es sich um eine Einladung zum Frühlings-Bankett in zwei Tagen handelt, an der wir als Dank für die Verteidigung seiner Tochter, der Prinzessin Sofia, teilnehmen dürfen. Nur wenige Stunden später werde ich zu Ihrer Hoheit Madalena bestellt, wo ich wiederum mit Wiatt, Tiz und Salaîne zusammentreffe, die wohl eine ähnliche Einladung erhalten haben [in der Bloodhunter-Gilde hat es wohl zu einigem Aufsehen geführt, und Salaîne sieht es als einen weiteren Schritt zu politischem Ansehen, nun den Zweitgeborenen des Herzogs in ihrer Schuld zu wissen]. Sie bestätigt die Richtigkeit der Einladung, auch wenn sie die Kurzfristigkeit offenbar schwer belastet, da die wenigsten in unserer Gruppe in höfischem Benehmen unterwiesen sind. Tiz bietet einen Crashkurs an, was Ihre Hoheit Madalena dankbar annimmt. Auch unsere Garderobe sollte dem Umstand angemessen sein, und offenbar ist das, was ich derzeit trage und das edelste Kleidungsstück ist, das ich besitze (es hat einmal dem Sohn des Mundschenks gehört!), nicht ausreichend. Also springen Tiz und Salaîne wiederum ein und versprechen, sich darum zu kümmern. Wir werden angehalten, nicht mit Leuten zu sprechen, die nicht zuerst uns ansprechen und sich vorstellen - darunter wohl auch Beyciller und Skandern - und uns auch sonst größtenteils auf Smalltalk zu beschränken. Während der ganzen Unterredung bin ich zwiegespalten; einerseits bin ich geehrt, Moneda zu vertreten, andererseits würde ich lieber im Erdboden versinken, als dass ich mir anmaße, als Gleichgestellter zwischen all diesen Hochwohlgeborenen zu verkehren. Des weiteren spricht Ihre Hoheit Madalena die angespannte Beziehung zwischen Wiatt und Salaîne an, die aber beide zähneknirschend versichern, dass sie trotz ihrer persönlichen Ansichten jeden Auftrag, den sie gemeinsam erhalten werden, zu aller Zufriedenheit abschließen werden. Sie entlässt uns, was, wie ich zugeben muss, Verdruss in mir auslöst. Habe ich in meinem Bericht nicht eindeutig genug auf die Heräsie Tiz' hingedeutet, dass es nicht als wichtig genug erachtet wird, das zu erwähnen? Vielleicht wurde die Angelegenheit aber auch in aller Stille behandelt, um keine Unruhe am Hof auszulösen. Ich muss mich also bald einmal umhören, was davon zutrifft.
 
Es folgt ein erschöpfender Tag, an dem Wiatt und ich von den Frauen durch die Läden geschleppt werden und endlich Kleidung bekommen, an der offenbar nichts weiter auszusetzen sei. Währenddessen wird es Tiz nicht müde, uns zu belehren, wie wir uns beim Bankett zu verhalten, welches Besteck wir wann und wofür zu benutzen, wann wir was zu essen und zu trinken, wen wir wie anzusprechen, wo wir wie zu sitzen und stehen haben und so weiter. Irgendwann hab ich nicht mehr zuhören können, aber immerhin gab es eine Art süßen, kristallinen Schaum und ein dickflüssiges, nach Pflaumen schmeckendes Getränk auf unseren Wegen zwischen den Geschäften, und der Schneider bot uns ungefragt gläserweise Wein an. Am Ende des Tages fiel ich fast so müde wie nach unserer Reise durch den Sumpf ins Bett.