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Tue 27th Aug 2024 01:04

Brüchiger Frieden

by Segu

Bevor Tiz auch mich auf die Bühne bitten kann und wir mit ansehen müssen, was für eine Zänkerei sich denn nun diesmal zwischen Wiatt und Salaîne entfacht, bitte ich Ellaha, uns den Garten und seine guten Verstecke zu zeigen. In diesen Teil des Anwesens bringen mich meine üblichen Aufgaben nicht, und normalerweise ist er den Hochwohlgeborenen und ihren Gästen vorenthalten, also möchte ich diese Gelegenheit nutzen. Das Gelände weist eine wundersame Mischung wild gehaltener, einheimischer Pflanzenarten - oft in Hainen oder Baumgruppen - und seltsam gehegter und rigoros geordneter, fremder Vegetation in ihren Beeten und spalierartigen Reihen und Kreisen auf. Überal hängen Laternen, die vor allem den Bereich rund um die Ausgänge des Saales beleuchten, aber auch viele tiefe Schatten werfen, die offenbar einigen Gestalten, zusammen mit den fast schalldichten Hecken, die Gelegenheit bieten, ungestört zu bleiben, sei es für Techtelmechtel oder politische Angelegenheiten - oder, wie in unserem Fall, einfach um dem Treiben zu entkommen. Ich rieche feuchtes Gras, Frühlingsblumen, Harz und irgendwo stehendes Wasser. Wir gehen vom gepflasterten Weg ab, und ich kann endlich wieder frischen Erdboden unter meinen Füßen spüren, was mich etwas entspannen lässt.
Ellaha lenkt uns zu einer Sitzgruppe aus künstvoll geschnitzten, aus weißem Holz geformten Bänken unter einem Baldachin aus Weidenästen. Die Musik und das Geplapper von innen dringt nur gedämpft zu uns vor, wie versprochen haben wir hier also unsere Ruhe. Plötzlich werde ich mir gewahr, dass sich eine unangenehme Stille zwischen uns und der beycillischen Adligen ausbreitet, also versuche ich, ein Gespräch in Gang zu bringen. Erst muss ich Wiatts Taten für ihn erheben, nun hat auch noch Tiz ihre Zunge verschluckt - warum muss ausgerechnet ich derjenige sein, der diese sozialen Unfälle retten muss?! Ich versuche also diplomatisch, die Gemeinsamkeiten zwischen Beycillis und Moneda herauszuarbeiten, nur um im Gespräch herauszufinden, dass sie praktisch nicht existent sind! Deren Strafsystem ist lax, ihre Gefängnisse (!) sicherlich überfüllt und der "Kaiser" offenbar eher ein Blickfang für Adelige mit Ambitionen denn ein Mann, der die Zügel in die Hand nimmt. Schließlich findet Tiz doch ihre Fähigkeit zu sprechen wieder, nur um mir erneut damit zu kommen, dass Kobolde auf der gleichen Stufe wie alle Drachenblütige stehen würden und dass ich mich ihnen gegenüber nicht so in den Dreck werfen sollte. Es ist offensichtlich, dass diese beiden fremdländischen Frauen einiges an Indoktrination erleiden mussten, die ich nicht in einem einzigen Gespräch zerlegen kann, also versuche ich, das Gespräch auf etwas zu bringen, was es beenden kann: Ich hatte oft von den Dienern der Vanjaróns, die den Garten betreten durften, gehört, dass er um ein Objekt herum angelegt wurde, das von Venxaroncas persönlich gesegnet worden war. Ellaha hat davon noch nicht gehört, ist aber schnell einverstanden, sich auf die Suche danach zu machen.
 
Bald gelangen wir an eine Lichtung, die penibel so angelegt worden ist, dass sie einem ungeübten Auge wie natürlich so gewachsen scheint, und in dern Mitte das Heiligtum steht, wie ein König, umgeben von seinem Hofstaat: ein uralter Baum, von einem gigantischen Blitz getroffen und fast vollständig ausgebrannt. Der Umfang des Stammes des übrig gebliebenen Stumpfes ist noch immer beeindruckend, die Baumart durch die Verbrennungen und Versteinerung nicht auf dem ersten Blick auszumachen, die Luft in dieser Lichtung wirkt elektrostatisch aufgeladen, wie kurz vor einem Einschlag. Dieses Gefühl verstärkt sich, je näher wir Venxaroncas' Stammbaum und der niedrigen Kette, die ihn und ein paar wenige Blumen umgibt und nur symbolisch dazu gedacht ist, Leute fernzuhalten, kommen, und so ziehe ich reflexhaft den Kopf ein (ich hatte noch nie daran gedacht, dass diese Bewegung sowohl als beinahe nutzloser Schutz vor einem Blitzeinschlag dient als auch als eine immerwährende Erinnerung des Großen Drachen, ihm mit Demut und Untergebenheit zu begegnen!). Ich frage die anderen beiden, ob auch sie Venxaroncas ihren Respekt zollen wollen, doch die lehnen natürlich ab. Allein krieche ich nun also fast bis an die Stelle, an der mich die Absperrung ans Näherkommen hindert, und knie nieder, nehme die drückende Macht und berauschende Heiligkeit meiner Umgebung in mich auf. Ich betrachte die Zacken und Rillen, die der Einschlag und das dadurch entfachte Feuer in den Baumresten zurückgelassen haben, und nehme mir vor, die Priester zu fragen, ob man eine Bedeutung aus den Mustern lesen kann. Ich bete.
 
La meva vida seguirà les teves lleis tan segurament
com el tro segueix el llamp.
Enfosquim el cel!
Il·lumina el meu camí!
Destrossa els meus enemics!
Així ha de ser.
 
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, aber ich erinnere mich wieder daran, dass ich nicht alleine hier bin, und so kehre ich zu Tiz und Ellaha zum Rand der Lichtung zurück. Offenbar sind sie beide nicht in Venxaroncas' Lehren bewandert, da sie mich mit Fragen darüber löchern, aber das gibt mir die Gelegenheit, über ihn und seine Artgenossen zu berichten; wie sie die Welt schufen, die Berge, die Ozeane, die Wiesen, den Himmel, und darüber herrschten, bis die Uralte Magie die Welt verließ, und die Großen Drachen mit ihr; wie ein jeder Drache ein Volk nach seinen Vorstellungen und Nutzen schuf (auch die Drachengeborenen, leider ist keine Überlieferung des Schöpfers des Kobolde bekannt) ; wie ihre Absenz nun dafür sorgt, dass Chaos und Zwist herrschen; wie dennoch Hoffnung verbleibt, da doch die direkten Erben Venxaroncas über uns leben und regieren. Natürlich müssen nun Ereignisse folgen, die meine Worte bestätigen, als Geraune und aufgeregtes Gemurmel aus dem Festsaal zu uns dringen.
 
Zuerst bin ich froh, dass ich es nicht war, der seine Fassung gegenüber den Tölen aus Skander verliert und so den Ruf und das Gastrecht unter dem Dach der Vanjaróns beschmutzt - nur um dann mit einem nicht zu unterdrückenden Stöhnen feststellen zu müssen, dass es Wiatt ist, der in einem Gerangel mit einem Mitglied der skanderischen Gesandtschaft (ich glaube, sein Name war Kjertan Fjellskjold) verwickelt ist. Tiz und Ellaha stürmen hinein, ich bleibe in der Nähe des Ausgangs. Inzwischen haben sich sogar die skanderische Prinzessin Ylva und Generälin Jamin eingemischt, um die beiden Streithähne auseinander zu zerren, und nach einer Beschmutzung des Kleides der Skanderin und einigen oberflächlichen Verbrennungen der Hände Ihrer Hoheit (kann dieser Affront durch das leicht angekratzte Gesicht des skanderischen Hundes ausgeglichen werden?) gelingt es ihnen sogar. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass Ylva einfach so das metallene Messer aus Wiatts Gürtel zieht und ihm gegen die Brust drückt, was dieser reglos geschehen lässt. [Er ist im Kampf von Salaîne gesegnet und von Perseis schließlich mt Hold Person paralysiert worden.]
Er wehrt sich auch nicht, als er von Ihrer Hoheit Jamin in den Garten geschleift wird, begleitet von Ylva, Kjeran und Tiz, verfolgt von Salaîne (deren Lächeln immer breiter geworden ist) und mir. Ich erahne Schwierigkeiten und pfeife nach Grauer. Er landet verdächtig schnell neben mir im Halbschatten, wenn man bedenkt, dass ich ihm gesagt habe, er soll der Feier fernbleiben, aber darüber können wir später reden. An den Ausgängen scharen sich Schaulustige, die von den Wachen davon abgehalten werden, in den Garten vorzudringen. Immer weiter entfernen wir uns von den Festlichkeiten, bis wir schließlich außer Hör- und Sichtweite sind. Generälin Jamin fackelt nicht lange und spricht Ylva mit einer Anrede an, die wir alle sicherlich schon den ganzen Abend nutzen wollten (Aldervargbrut, hah!), was mir als ein Zeichen dient, den Gastgeber-Vorwand fahren zu lassen. Während geklärt wird, wer wem nun zuerst einen Schlag verpasst hat, versucht Salaîne, die Schuld auf Wiatts akoholisierten Zustand zu schieben, und Tiz beschuldigt Kjertan, sich hinter seiner gesellschaftlich gehobenen Stellung und der seiner Prinzessin zu verstecken.
[Salaîne tupft Kjertans Wunden mit seinem Taschentuch ab - ihr fällt auf, dass sich seine Wunden übernatürlich schnell schließen - und steckt es unbemerkt ein.]
Als Ylva nur weiterhin provoziert und Kjertan hinter ihr feixt, spielt erstere weiter mit Wiatts Dolch, verlangt ein Exempel an ihm zu statuieren. Es rutscht mir heraus, dass wir in Moneda immerhin wissen, dass man keine wilden Köter mit sich führt, kontert Ylva damit, dass man in Skander immerhin weiß, wie diese abzurichten seien. Aus Angst, sowieso schon mehrere Grenzen überschritten zu haben, halte ich meine Zunge mit einem entschuldigenden Blick zu Generälin Jamin im Zaum. Diese greift die Ausrede Salaînes für Wiatts Verhalten auf und schlägt vor, den Bloodhunter im Gartenteich baden und ausnüchtern zu lassen, was Ylva widerwillig annimmt. Nach einiger Zeit kommt er nass, mit seinem Holzdolch-besetzten Gürtel in der Hand zurück. Der Anblick scheint den Skandern zu genügen, allerdings behalten sie seinen Metalldolch ein und meinen, ihm diesen Beizeiten zuschicken zu werden. Natürlich eine Lüge, aber Wiatt ist schwerlich in der Lage, zu protestieren. Geschlagen macht er sich auf den Weg, die Party und das Anwesn zu verlassen. Von irgendwo ereilt mich etwas Mitleid, und so biete ich ihm an, ihn durch die Dienergänge nach draußen zu führen, was er annimmt.
Unterwegs kommen wir an der Küche vorbei, was ich nutze, um Wiatt sich aufwärmen und einige Essensreste einpacken zu lassen (hab schon am Tisch bemerkt, wie er einen Teil seiner Mahlzeiten in seiner Kleidung verschwinden ließ - wer weiß, wann er das nächste Mal so exquisit essen würde?), während ich gleichzeitig Ruco über alles Vorgefallene unterrichten kann. Einiges ist ihm schon bekannt - da ist wohl einer der Kellner-Kobolde schnurstracks in die Küche geflitzt - aber auch er muss über die Geschehnisse im Garten merklich seinen Zorn zügeln. Schließlich geleite ich Wiatt zum Boteneingang und verabschiede mich von ihm.
Eine Sache muss ich vor dem Zubettgehen allerdings noch klären, und so kehre ich in den Tanzsaal zurück. Ihre Hoheit Madalena ist nirgends aufzufinden, aber den Aussagen Seiner Hoheit Valente zu schließen, hat auch er meinen Bericht gelesen. Also warte ich darauf, dass er mal nicht seine Gäste unterhält, und trete an ihn heran, um ihn zu fragen, ob ich in meiner Erwähnung der Fähigkeiten Tiz' nicht eindeutig genug war oder warum es in dieser Hinsicht noch keine Konsequenzen gab, von denen ich mitbekommen hätte. Offenbar war ich in meiner Einschätzung der Situation zu voreilig, denn Seine Hoheit versichert mir, dass ich gute Arbeit getan habe, allerdings noch nicht feststehe, ob Tiz' drachische Merkmale nicht vielleicht sogar ein versteckter Segen eines Großen Drachen sein könne statt Blasphemie und dass ich gut daran täte, sie weiterhin genau im Auge zu behalten und mir Rat von Ihrer Hoheit Madalena oder der Priesterschaft in dieser Angelegenheit einzuholen. Demütig und dankbar begebe ich mich endlich in meine Räumlichkeiten und in mein Bett.
 
[Im Festsaal bezirzt Jamin erfolgreich eine beycillische Adlige, während Tiz erfolglos erst Wiatts Dolch stehlen und dann Ellaha anflirten möchte. Beide Male kommt sie mit nicht mehr als einer unangenehmen Verabschiedung davon. Sie betrinkt sich im Verlauf des Abends weiter.
Wiatt wird von seinen jüngeren Kameradden in der Gilde mit Johlen begrüßt, sowohl wegen der mitgebrachten Köstlichkeiten als auch wegen seiner triefnassen Erscheinung. Im Gepräch mit Minette sagt er noch, dass möglicherweise die Hexen ihren Anteil daran hatten, dass ihm gegenüber Kjertan die Hutschnur geplatzt ist, was er aber im Gespräch mit seinen Vorgesetzten abwiegeln wird. Ihn bekümmert vor allem der Verlust des Dolches, aber unverhofft klopft Salaîne an der Tür, die ihm einen Dolch ähnlicher Machart schenkt. Nachdem Wiatt ihr nicht dankt und auch nicht auf ihr Angebot eingeht, es Skjertan heimzuzahlen, stürmt sie wütend davon. Nach einigen Momenten besinnt sich Wiatt etwas und folgt ihr mit Minette in die Gassen der Burgstadt. Sie holen sie ein und befragen sie wegen des Dolches. Der gehörte wohl einst einem ranghohen Bloodhunter (Sirias), der auf der Suche nach von Hexen beschworenen Geistern ums Leben gekommen war. Die Todesursache war unklar, die Dolche nicht auffindbar - bis heute. Erzürnt wegen der Implikationen trennen sich Wiatt und Minette von Salaîne, die ihrerseits stocksauer zu ihrer Unterkunft zurückkehrt und sowohl Wiatt als auch Kjertan magisch schlechte Träume bereitet.]
 
Spät abends rüttelt mich eine nach Wein duftende Tiz wach, um mich davon zu überzeugen, in die gut bewachten Gemächer der Skander*innen einzubrechen, um Wiatts Dolch zu stehlen. Ich erkläre ihr, dass ich das Gastrecht Monedas nicht einfach so unter dem Dach der Vanjaróns brechen würde, selbst wenn es gegen Skander geht, aber sie lässt nicht locker, versucht, erst unsere (nicht vorhandene?) Freundschaft und schließlich einen Gegengefallen (sie würde mich mit einer Kobolddienerin verkuppeln wollen?) zu verpfänden, aber nach vielem Hin und Her kann ich sie endlich abwimmeln. Eigentlich will ich mich wieder umdrehen und weiterschlafen, aber ihre Vehemenz macht mir Sorgen, also folge ich ihr unauffällig. Erst torkelt sie Richtung Gesindegemächer, macht dann aber kehrt und bewegt sich zum Gästeflügel. Dort wird sie glücklicherweise von den Wachen aufgehalten, was ihre Motivation offenbar in Rauch aufgehen lässt und sie endlich dazu führt, sich in ihr eigenes Bett zu legen. Ich folge ihrem Beispiel und lege mich wiederum schlafen in der Hoffnung, dass - wenn sie sich daran erinnert - Tiz mir insgeheim dankbar sein wird, dass ich sie davon abgehalten habe, ein Verbrechen zu begehen.
 
[Am nächsten Morgen bekommt Wiatt eine Standpauke von zweien seiner Vorgesetzten - eine milder als die andere - und die versteckte Androhung einer Versetzung, wenn er nicht artig Aufträge für die Vanjaróns zu deren vollster Zufriedenheit ausführt. Er trägt noch immer Sirias' Messer anstelle seines eigenen und ist sichtlich mitgenommen von der Aussicht und seinem seltsam unruhigen Schlaf.]